„Unsere Ausgangslage ist gut. Die Wirtschaft boomt, noch nie waren so viele Menschen in Arbeit und Beschäftigung. Das ist auch Ergebnis der Regierungszusammenarbeit von CDU, CSU und SPD. Unsere heutige wirtschaftliche Stärke eröffnet die Chance, Gerechtigkeit langfristig zu sichern. Unser Ziel ist ein nachhaltiges und inklusives Wachstum, dessen Erträge allen zugutekommen.“[1]
Damit beginnt die Präambel des Koalitionsvertrages der Regierungsparteien und verspricht in der Folge, dass Wohlstand und Gerechtigkeit noch besser werden als bisher. CDU, CSU und SPD haben sich darin auf eine verschärfte Gangart der bisherigen Politik geeinigt. Ein einfach „weiter so“ ist jedoch keine neue Dynamik, wird das Land nicht zusammenhalten und verbietet sich im Blick auf die nächste Generation. Der Kurs der alten und neuen Regierungskoalition für Deutschland und Europa ist hochgradig krisengefährdet.
Eine Vergleichsanalyse von einigen Kernpunkten des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD mit den Politikansätzen von Bündnis C
- Familienpolitik
Die zur Familienpolitik getroffene Einleitung, dass Familien unsere Gesellschaft zusammenhalten (Z 688), wird wie bisher durch eine Familienpolitik als Dienstleister der Wirtschaftspolitik konterkariert. Familien sollen mittels eines Rechts auf befristete Teilzeit (Z 2392) in ihrem Anliegen unterstützt werden, mehr Zeit füreinander zu haben. Einer minimalen Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlages stehen ansonsten Anreize zur Steigerung von Erwerbsarbeit der Eltern gegenüber, mehr Frauen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik als Querschnittsaufgabe und „ein besonderes Augenmerk auf Unternehmen ohne Frauen in Führungspositionen“ (Z 949) mittels gesetzlicher Vorgaben und Sanktionen für Unternehmen. Mobilität wird als zentrale Grundlage für individuelle Freiheit und gesellschaftlichen Wohlstand, für wirtschaftliches Wachstum und für Arbeitsplätze favorisiert (Z 3370f), ungeachtet ihrer zerstörerischen Wirkung auf den Zusammenhalt der Familien.
Dafür wird weiter in den Ausbau der Kinderbetreuung investiert, die Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit verfolgt und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter eingeführt. Kernpunkt bleibt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht die Stärkung von Familien und der elterlichen Erziehungsverantwortung (Z 314ff).
Mit dem einseitigen Fokus auf Wirtschaftswachstum heute wurde die nachhaltige Sicherung des wirtschaftlichen Standards und Wohlstands durch die nächste Generation bereits grundständig gefährdet. Es wurden nicht nur zu wenige Kinder geboren, sondern diese mit defizitären Bindungserfahrungen erzogen durch zu frühe Fremd- und Kollektivbetreuung. Ein zu früher Fokus auf Bildung statt Bindung wird die Zahl der Jugendlichen und jungen Erwachsenen weiter anwachsen lassen, die nicht oder nur bedingt ausbildungs- oder studierfähig sind.
Ein Umsteuern in der Familienpolitik ist überfällig, damit Familien in ihrem Zusammenhalt und ihrem natürlichen Erziehungsauftrag gestärkt werden. Dafür bedarf es der Rückübertragung der Erziehungsverantwortung an die Eltern und eines Erziehungsgehaltes, das sie befähigt, ihre Sozialverantwortung wahrzunehmen. Die Erziehung der Kinder, Versorgung der alten Eltern und Hilfe für in Notlagen geratene Angehörige sind die natürlichen Kompetenzen von Familiensystemen.
Kinderrechte will die Koalition im Grundgesetz verankern (Z 323) und hebelt damit die Erziehungsverantwortung der Eltern absehbar zusätzlich aus. Die Grundrechte im Grundgesetz gelten für Kinder wie für alle Menschen. Die in Artikel 6 GG verankerte natürliche Entscheidungsbefugnis von Eltern für ihre Kinder wird mit zusätzlichen Kinderrechten in Frage gestellt. Und das Zugriffsrecht des Staates auf die Kinder wird damit dem grundgesetzlich festgeschriebenen, natürlichen Erziehungsrecht der Eltern gleichgestellt. Wenn Kinderrechte dem elterlichen Erziehungsrecht gegenübergestellt werden, ebnet das zusammen mit der angestrebten Gebührenfreiheit u. a. auch der Kita-Pflicht gegen den Willen der Eltern den Weg.
Eltern haben ein natürliches Interesse, die Rechte ihrer Kinder zu schützen und zu verteidigen und müssen nach dem Subsidiaritätsprinzip mit diesem Recht vor dem Staat autorisiert bleiben. Die staatliche Gewalt wacht bereits jetzt nach Artikel 6 GG über die Betätigung der Eltern und greift bei deren Versagen ein.
- Sozialpolitik
In dem Maße, wie die Regierungskoalition die Familien weiter von ihrer Erziehungs- und Sozialverantwortung entbinden will, soll der Sozialstaat weiter ausgebaut werden. Grundrente, die Absicherung der gesetzlichen Rente auf heutigem Niveau von 48 % bis zum Jahr 2025 bei einem Beitragssatz von 20 %, Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung und 8 000 neue Fachkraftstellen sind Eckpunkte des Programms. Auf das Einkommen der Kinder von pflegebedürftigen Eltern soll künftig erst ab einem Einkommen in Höhe von 100.000 Euro im Jahr zurückgegriffen werden (Z 484-506). Dennoch sollen die Sozialabgaben unter 40 % stabilisiert werden.
Für den nicht mehr funktionierenden Generationenvertrag, Pflegenotstand, überfüllte Kindereinrichtungen in den Städten und ausufernde Kosten im Gesundheitssystem enthalten die Sonderungsergebnisse kosmetische Maßnahmen. An keiner Stelle wird das Sozialsystem an sich in Frage gestellt und ob „Vater Staat“ weiter die Versorgerrolle für den Einzelnen anstelle der Familie übernehmen kann. Mit der Kollektivierung der Sozialverantwortung wurde die Eigenverantwortung des Einzelnen zunehmend durch Anspruchsdenken verdrängt. Die anonymen staatlichen Verteilungssysteme können jedoch den individuellen Bedarfen nicht gerecht werden und haben einen andauernden Ruf nach sozialer Gerechtigkeit generiert, den das System nicht erfüllen kann.
Die auf diese Weise überfrachteten Sozialsysteme können absehbar nur noch mit hohen steuerlichen Belastungen und Sozialabgaben der Wirtschaft am Leben erhalten werden, solange die Wirtschaft boomt. Gefragt ist eine vorausschauende Politik, die das Leben der nächsten Generation im Blick hat. Die mittlere Generation hat nicht nur zu wenige Kinder geboren und großgezogen, sondern überfrachtet diese dezimierte Generation zudem mit Rentenansprüchen, die diese immer weniger erfüllen kann. Die westlichen Gesellschaften ernten hier die Früchte eines einseitigen Individualismus, der Selbstverwirklichung, Erfolg und Effizienz des Einzelnen auf Kosten des Gemeinwohls und zukünftiger Generationen überzogen hat. Ein „Verlässlicher Generationenvertrag“ (Z 4254) muss nicht erst für die Zeit nach 2025 das Anspruchsdenken des Einzelnen grundlegend in Frage stellen und eine Balance zwischen individuellem Recht und Gemeinwohl auch für die nächste Generation herstellen.
- Wirtschaft
Mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft von Wettbewerb, Unternehmerverantwortung, Sozialpartnerschaft, Mitbestimmung und gerechter Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands sollen die Voraussetzungen für weiteres Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung geschaffen werden (Z 2473ff). Auch wenn von einer Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft die Rede ist (Z 147), wurde daraus in den letzten Jahrzehnten eine scheinsoziale Staatswirtschaft mit staatlichem Umverteilungsprogramm gemacht. Die Regulierungsmaßnahmen des Staates haben weder die zunehmende Konzentration wirtschaftlicher Macht noch die Steuerflucht von Konzernen verhindert, aber den Mittelstand immer mehr belastet, der in entscheidendem Maße die Wertschöpfung der Gesellschaft erbringt. Die vom Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte weitere Umverteilung der erwirtschafteten Mittel durch den Staat setzt diesen Trend fort und belastet Unternehmen (und öffentliche Haushalte) wiederum mit höheren Kosten.
Angesichts der aktuellen Konjunktur mag die deutsche Wirtschaft diese Belastungen verkraften. Längerfristig wird diese Umverteilung an ihre Grenzen stoßen, wenn die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft erhalten werden soll, die die Voraussetzung für die Finanzierung des Sozialstaates ist. Wenn die Sozialabgaben unter 40% bleiben sollen, müssen die gleichzeitig vorgesehenen Ausgaben der Sozial- und Rentenpolitik absehbar zurückgeschraubt werden.
An keinem Punkt wird die Frage gestellt, ob und unter welchen Bedingungen Wachstum der Wirtschaft nicht nur materiellen Wohlstand, sondern Wohlergehen der Menschen und Gemeinwohl hervorbringt. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar 2018 wurde ein wachsender Widerspruch zwischen ökonomischen Erfolgen und gesellschaftlichem Nutzen in der westlichen Welt festgestellt und die Frage gestellt, was das ganze Wachstum bringt.
Zunehmender Wohlstand allein macht das Leben vieler Menschen nicht besser. Der von Bündnis C und der European Christian Political Movement (ECPM) entwickelte Ansatz eines beziehungsorientierten Wirtschaftsplanes zielt auf eine Balance von guten Beziehungen aller Beteiligten in einem Wirtschaftsmodell, das den Menschen nicht nur als Humankapital sieht, sondern dem Einzelnen, Familien und dem Gemeinwohl dient.
Dieser Wirtschaftsplan stellt in seinem Ansatz auch das auf Schuldenfinanzierung basierende Wirtschafts- und Finanzsystem in Frage. Eine auf Schulden aufgebaute Gesellschaft tendiert zu Anonymität und sozialer Entfremdung und ist inflationsgefährdet, verbunden mit zufälliger und ungerechter Umverteilung des Wohlstandes. Die Wirtschaftspolitik darf deshalb keine weiteren Anreize oder Steuervorteile für Fremdfinanzierung von Unternehmen geben.
- Finanzen
Die Verschuldung der Staatshaushalte Europas hat mit der Wirtschafts- und Finanzkrise einen historischen Höchststand erreicht, den es vorher nur in Kriegszeiten gab. In Friedenszeiten wurden Schulden getilgt und in Konjunkturzeiten Rücklagen gebildet.
Union und SPD wollen hingegen die finanziellen Spielräume, die aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage bestehen, für politische Gestaltung nutzen. Lediglich über das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne neue Schulden besteht Einigkeit (Z 3041).
Die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote beträgt in Deutschland über 60 % des Bruttoinlandsprodukts (Z 3044). Diese angehäufte Schuldenlast ist von den nächsten Generationen weder zu bewältigen, noch werden diese auf Rücklagen oder auch nur ausgewogene Finanzierungsmodelle zurückgreifen können. Auf kommunaler Ebene stemmen bereits jetzt strukturschwache Regionen selbst ihre Pflichtausgaben (u. a. Arbeitslosengeld, Hartz IV, Kitas, Schulen) teilweise nicht mehr ohne neue Kredite.
Dem Abbau der Staatsverschuldung und der Minderung des Drucks auf die öffentlichen Haushalte muss Priorität eingeräumt werden. Demgegenüber können Maßnahmen zum Klimaschutz und Energiewende als nachrangig eingestuft werden, weil deren Wirkung auf das zukünftige Klima zweifelhaft ist, die Auswirkungen der Verschuldung auf zukünftige Generationen hingegen übermächtig.
- Rechtsstaat und Demokratie
Ein Pakt für den Rechtsstaat mit 15 000 neuen Stellen für die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern und 2000 neuen Stellen in der Justiz soll einen handlungsfähigen Staat gewährleisten, um Wirtschaftskriminalität, Einbruchdiebstahl und organisierte Kriminalität zu bekämpfen (Z 586ff). Ein starker Staat deckt sich mit den Forderungen von Bündnis C, die Bürger vor Gewalt und Kriminalität zu schützen. Wenn beides überhandnimmt in der Gesellschaft, kann der Aufwand an Personal und Kosten für die innere Sicherheit jedoch immer weniger geleistet werden. Hier ist Realismus auf Seiten der Politik gefordert und das Menschenbild des Humanismus zu hinterfragen mit den Verwerfungen, die es vor allem im Strafrecht und –vollzug hervorgebracht hat.
Programme gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus, Antisemitismus, Islamismus und Salafismus haben bisher ihre Protagonisten eher gestärkt, als dass sie die Spaltung der Gesellschaft durch rivalisierende Ideologien und die von ihnen beförderten Extreme überwunden haben. Wir sehen im realistischen Menschen- und Weltbild der Bibel die Leitlinien zur Überwindung der Gräben und ein tragfähiges Wertefundament für unsere Gesellschaft.
Eine „Agenda für Kultur und Zukunft“ (Z 7806), die die Kulturförderung des Bundes an Themen wie Integration, Inklusion, Demografie, Digitalisierung, Gleichstellung, Populismus, Zukunft von Arbeit und Kommunikation bindet, konterkariert die Freiheit der Kunst und Kultur und befördert politisch korrekte Propagandakunst.
- Migration
Neben den vorgesehenen Maßnahmen zur Steuerung der Migrationsbewegungen (Z 522ff) sollen Asylverfahren künftig umfassend in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen (AnKER) abgewickelt werden, in denen BAMF, BA, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden u. a. Hand in Hand arbeiten (Z 5011ff). In einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung hat nicht nur die Justiz unabhängig zu bleiben. Wenn in zentralen Einrichtungen der Schutz gefährdeter, vor allem christlicher Minderheiten nicht gewährleistet wird, muss deren dezentrale Unterbringung sichergestellt werden.
Daneben wird weiter vor allem über Integration in die Gesellschaft bei dauerhafter Bleibeperspektive (Z 4970) gesprochen, ohne diese Bleibeperspektive dahingehend zu spezifizieren, dass jeder Flüchtlingsstatus (nicht nur subsidiärer Schutz) nach geltendem Asylrecht begrenzt ist, so lange die Gefahr im eigenen Land besteht. Nötig ist eine Integration, die mit einer umfassenden beruflichen und freiheitsrechtlichen Bildung der Vorbereitung der Flüchtlinge für die Rückkehr in ihr Heimatland dient, um dort Frieden, bessere Lebensbedingungen und Rechtsstaatlichkeit zu befördern. Diese Kombination dient am nachhaltigsten der Bekämpfung von Fluchtursachen.
Ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz darf sich nicht allein an den volkswirtschaftlichen Interessen Deutschlands (Z 552) orientieren und dafür qualifizierte Arbeitskräfte aus wirtschaftlich schwächeren Ländern ins Land ziehen. Deutschland kann bestenfalls junge Menschen aus Ländern mit wenig Berufschancen in Ausbildung und Studium bringen und damit zu Fachkräften machen.
Europäische Beschlüsse zur Verteilung von Flüchtlingen (Z 4875) hebeln die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten für Migration aus. Die EU ist gefordert, die nationalen Toleranzgrenzen für Migration zu akzeptieren. Eine Zwangssolidarisierung der EU-Staaten für die Aufnahme von Flüchtlingen muss scheitern.
- Europapolitik
Niemand kann die Abhängigkeit der Nationen Europas voneinander leugnen, die über die letzten 70 Jahre gewachsen sind, und das Eingebunden-Sein Deutschlands in die zahlreichen Verflechtungen Europas und der EU. Deshalb muss die Frage lauten, wie nach dem Brexit die notwendige Erneuerung der EU und ein neuer Aufbruch für Europa (Z 120) aussehen kann. Der Koalitionsvertrag enthält zahlreiche Absichtserklärungen zur Stärkung der europäischen Integration (Z 127), die die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten absehbar weiter zerstören:
Ein Rahmen der EU für Mindestlohnregelungen und für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten (Z 171) kann soziale Ungleichheiten in wirtschaftlich schwächeren Ländern nicht ausgleichen. Ein höherer EU-Haushalt für wirtschaftliche Stabilisierung, soziale Konvergenz und einen künftigen Investivhaushalt für die Eurozone (Z 232ff) bewirkt eine weitere Umverteilung innerhalb der EU, die die Nationalstaaten immer weniger bereit sind mitzutragen, wie der Brexit zeigt, und die die spezifischen Gegebenheiten in schwächeren Ländern nicht reformiert. Nicht nur lokale Herausforderungen können nur lokal gelöst werden (Z 198). Auch für die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der EU-Staaten muss das Prinzip der Subsidiarität gestärkt werden, um einer weiteren Zentralisierung und Anonymisierung der Systeme entgegenzuwirken und verantwortliche Beziehungen von der Ebene der Familie und Kommunen über Institutionen bis hin zu den Nationalregierungen und der EU wiederzubeleben. Ohne grundständige Reformen werden die Kosten allein für die Sozial- und Gesundheitssysteme bis 2050 in den EU-Staaten im Durchschnitt auf geschätzte 60 % des Bruttoinlandsprodukts steigen.
Der Kern des Konzepts von Bündnis C eines Konföderalen Europa ist, dass eine starke Einheit Europas nur mit starken Nationen möglich ist. Wie in einer Familie, wo man die Stärken und Besonderheiten der Mitglieder nicht ignoriert, sondern sie fördert und einbringt zum gegenseitigen Nutzen und zur Erbauung des gemeinsamen Hauses.
Das Prinzip der wechselseitigen Solidarität (Z 254) kann Europa einen und stark machen, wenn diese Solidarität wieder aus der christlichen Definition heraus verstanden und gelebt wird: Solidarität entsteht in einer willentlichen Beziehung der Beteiligten, im freiwilligen Verzicht auf eigene Ansprüche zugunsten anderer Beteiligter und der Gemeinschaft und dadurch gelebter Sorge füreinander. Solidarität wird zerstört durch von der EU erzwungene politische Einheit, durch finanzpolitische Vereinheitlichung und durch Zwangssolidarisierung der Sozialsysteme und der Nationalstaaten. Die angestrebte Einheit der EU wird dadurch nicht gefestigt, sondern gesprengt und man riskiert weitere Austritte.
Kern der europäischen Vision ist nach dem Koalitionsvertrag, „dass die EU ihre gemeinsame politische und wirtschaftliche Kraft nutzt, um Frieden nach außen und Sicherheit und Wohlstand nach innen zu schaffen.“ (Z 89f). Die grundlegende Frage muss im Blick auf Europa lauten: Was sind tragfähige Werte der EU außer Wohlstand und Sicherheit, die sie nach innen einen könnten? Und was sind die gemeinsamen Interessen, die sie nach außen durchsetzen will oder soll? Die Antworten darauf dürften mittlerweile höchst unterschiedlich ausfallen und können deshalb weder vorausgesetzt werden, noch liefern sie die nötige gemeinsame Basis für die EU. Es ist das Gebot der Stunde, diese Werte und Interessen neu zu definieren, woraus und wofür Europa leben will. Frieden, Freiheit und Wohlstand können auch in Zukunft nur Frucht davon sein.
12.03.2018
Karin Heepen
[1] Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Berlin, 7. Februar 2018, S. 4 (Z 11-15).