An Ostern schauen wir auch auf die religiöse Dimension des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Die Russisch-Orthodoxe Kirche und ihr Oberhaupt Patriarch Kyrill I. rechtfertigen den Krieg als Kampf gegen Kräfte des Bösen aus dem Westen und zur Verteidigung christlicher Werte. 2018 spaltete sich eine eigenständige ukrainisch-orthodoxe Kirche von Moskau ab. Russisch-orthodoxe stehen ukrainisch-orthodoxen Soldaten gegenüber und töten einander. Papst Franziskus hält sich zurück, um Fortschritte in der Ökumene mit der Orthodoxie nicht zu gefährden und – bisher erfolglos – über Kyrill Einfluss auf Putin zu nehmen.
Nach Auffassung Kyrills gehört die Ukraine zum „Heiligen Rus“, das wiederhergestellt werden soll. Kiew ist geografisch und geistlich ein zentraler Bezugspunkt für die russisch-orthodoxe Kirche, die nach dem Ende der Sowjetunion eine Wiedergeburt erlebte und eng mit der russischen Führung verbunden ist. Damit unterstützt die Russisch-Orthodoxe Kirche im Namen eines christlichen Nationalismus Putins Neoimperialismus, der auf die Wiedererrichtung Großrusslands zielt als Gegenpol zur westlichen Welt. Die Gewaltherrschaft des Kommunismus und Stalinismus der Sowjetunion wurde in Russland nie aufgearbeitet und steht im mörderischen Krieg gegen die Ukraine wieder auf. Durch die Ukraine verläuft die Grenze zwischen der asiatischen Einbindung Russlands und den slawisch-europäischen Wurzeln der Ukrainer. Bei der UN-Vollversammlung Anfang März dieses Jahres haben die Großmächte China und Indien Russland demonstrativ den Rücken gestärkt. Eine von ihren Wurzeln her kommunistische Allianz des „Russischen Bären“ und des „Chinesischen Drachen“ konfrontiert Europa und die westliche Welt.
Dabei stehen sich jedoch nicht Gut und Böse gegenüber. Europa hat die christlichen Werte, die es durch seine Geschichte hindurch erfolgreich, human und frei gemacht, ausgehöhlt und bekämpft sie selbst. Die Ukraine verteidigt keine westlichen Werte, sondern ihr Land. Es stehen sich mit Russland und dem Westen zwei Systeme gegenüber, die das Christentum verlassen oder benutzt und pervertiert haben für widergöttliche Zwecke. Ein „Gott mit uns“ kann keine der beiden Seiten für sich reklamieren.
Für Europa ist der Krieg ein Ruf zur Umkehr, wo wir Gott vergessen, auf eigene Stärke und Wissen, selbstgesetzte Werte, Wohlstand und Verweltlichung gesetzt haben. Wo das Menschen- und Weltbild des Humanismus und unser blinder Glauben an irdische Sicherheit zerbrochen werden, steht an Ostern Christus bereit, dessen Leib für uns und diese Welt am Kreuz gebrochen wurde. Wo wir hilflos auf Mord und Kriegsgeschrei schauen, ist Er der Friedefürst, der den Tod überwunden hat. Möge Jesu Auferstehungskraft in dieser Zeit über Finsternis und Tod in diesem Krieg sichtbar werden. „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der HERR Zebaoth.“ (Sacharja 4,6).