Im Jahr 2011 wurde die Wehrplicht – und damit auch der Zivildienst – ausgesetzt. Nun ist die Debatte über den Dienst an der Waffe durch die neue Wehrbeauftragte Eva Högl wieder aufgeflammt. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich für einen sechsmonatigen Freiwilligendienst mit anschließendem Reservedienst aus. Bündnis C plädiert für ein Dienstjahr im Sozialwesen oder bei der Bundeswehr.
Wir blicken heute auf ein Jahrzehnt mit Berufsarmee zurück. Der damalige Ansatz, eine gut ausgebildete, starke Truppe aus Berufssoldaten zu besitzen, hat sich nur bedingt bestätigt. Vielmehr hat sich eine Distanzierung zwischen Bevölkerung und Bundeswehr entwickelt. Die Zahlen der Menschen, die sich für eine Laufbahn im Heer entscheiden, sind rückläufig, und es gestaltet sich schwierig, genug Nachwuchs für die Landesverteidigung zu generieren.
Der Grundgedanke der Wehrpflicht ist in der Debatte vor deren Aussetzung untergegangen. Durch eine allgemeine Wehrpflicht wird gewährleistet, dass ein großer Teil der Bevölkerung für einen Verteidigungsfall ausgebildet und schnell abrufbar ist. Dieser Vorteil geht mit einer reinen Berufsarmee verloren. Werden Soldaten für einen akuten Verteidigungsfall gebraucht, dauert die Ausbildung ohne vorherigen Grundwehrdienst unverhältnismäßig lang. Der Grundgedanke der Nato zum Schutz Europas ist zu begrüßen, dennoch sollte die Landesverteidigung durch eigene Kräfte gewährleistet sein. Weder die NATO noch nationale Verteidigung funktioniert im Ernstfall ohne einsatzbereite Armeen.
Gleichzeitig mit der Wehrpflicht wurde auch der Zivildienst abgeschafft, was bis heute in vielen sozialen Berufsfeldern Lücken hinterlassen hat. Bis 2011 gab es jährlich knapp 80.000 Menschen, die durch den Zivildienst einen großen Beitrag für die Gesellschaft leisteten. Im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes waren es danach nur noch halb so viele. Dies sorgte in sozialen Einrichtungen für personelle Engpässe, deren Auswirkungen wir heute noch erleben. Viele Zivildienstleistende blieben langfristig in sozialen Berufen tätig. Das Berufsbild in der Pflege hat sich seit Abschaffung des Zivildienstes leider ebenfalls negativ entwickelt, und so fehlt heute auch dort der Nachwuchs.
Es wäre ratsam, Wehrpflicht und Zivildienst wieder einzuführen – allerdings in einer reformierten, modernen Form. Den verpflichtenden Dienst auf den männlichen Teil der Bevölkerung zu beschränken, ist nicht mehr zeitgemäß. Ursprünglich waren Frauen aufgrund ihrer Erziehungszeiten davon ausgenommen, was heutzutage beiden Elternteilen gesetzlich zusteht und so auch genutzt wird. Das Konzept sollte dahingehend umgestellt werden, dass für jeden jungen Menschen – unabhängig ob Mann oder Frau – ein gemeinnütziges Jahr zu leisten ist. Ausgenommen sind Elternteile, die bereits selbst Kinder erziehen, da ein verpflichtender Dienst junge Familien unverhältnismäßig belasten würde. Wer stattdessen lieber an der Waffe dienen möchte, kann sich für den Wehrdienst entscheiden. Durch das umgekehrte Bewerbungsverfahren träten der Bunderwehr nur Personen bei, die sich bewusst für den Wehrdienst entschieden haben und somit auch über den Grundwehrdienst hinaus für eine weitere Verpflichtung geeignet wären. Wer sich nicht ausdrücklich für den Wehrdienst entscheidet, dient dem Land und der Gesellschaft im Zivildienst, was zu einer starken Entlastung im Sozialwesen führen würde.
Durch dieses Konzept fördert man eine gesellschaftliche Nähe zu sozialen Berufen wie auch zur Bunderwehr. Junge Menschen würden durch beide Tätigkeiten einen wichtigen Dienst tun. Dieses Modell könnte zu einer bewussteren Verantwortung und vertieften Identifikation mit unserer Gesellschaft beitragen. Rückblickend betrachtet waren Wehrpflicht und Zivildienst neben den Vorteilen für unser Land auch wichtige Lebensabschnitte in der Charakterbildung von jungen Menschen. Daher ist es zu begrüßen, wenn wir wieder – wenn auch in reformierter Form – dorthin zurückkehren würden zum Wohl Deutschlands und der nächsten Generation.
Horst Wodarz