Das Heizungsgesetz wurde vor der Sommerpause vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Die beiden Gesetzesentwürfe zur Reform der Sterbehilfe fielen im Bundestag durch. Über den LNG-Terminal in Mukran entschied die Ampel-Koalition gegen alle Einwände und Gutachten. Sommerpause ist Zeit zum Innehalten und Nachdenken über die Aufgabe der Politik in einer funktionierenden Demokratie und zum neu Navigieren der Grundlagen von Rechtsstaatlichkeit und Gemeinwohl. Bündnis C erinnert den Gesetzgeber an die Voraussetzungen eines freiheitlichen Staates, die er sich selbst nicht geben kann, aber zum Leben braucht.

Dem CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann ist es zu verdanken, dass der Bundestag das hoch kontrovers diskutierte, mehrfach und kurzfristig geänderte Gebäudeenergiegesetz nicht in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause verabschieden konnte. Das Bundesverfassungsgericht hatte seinem Eilantrag gegen die Schlussabstimmung stattgegeben, weil die Abgeordneten zum Befassen mit dem geänderten Gesetzestext zu wenig Zeit hatten.

Ein ähnliches Muster bei der Abstimmung über am Ende zwei Gesetzesentwürfe zur Reform der Sterbehilfe: Bereits Anfang 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das bis dahin geltende Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe verfassungswidrig sei. Im Juni 2022 wurden dazu in 1. Lesung drei fraktionsübergreifende Anträge beraten, Ende November 2022 gab es dazu eine öffentliche Anhörung. Die beiden liberalen Anträge zur Legalisierung von Sterbehilfe legte der Rechtsausschuss auf Antrag der beiden Gruppen zusammen. Bis einen Tag vor der 2. und 3. Lesung plus Abstimmung im Bundestag war nicht klar, ob zwei oder drei Gesetzentwürfe zur Abstimmung stehen. Dennoch sollte am 6. Juli 2023, dem vorletzten Sitzungstag vor der Sommerpause, nach nur 90-minütiger Debatte darüber entschieden werden – gegen die Mahnungen von Fachgesellschaften wie der Bundesärztekammer und dem Nationalen Suizidpräventionsprogramm. Offenbar nahmen die Abgeordneten diese Bedenken ernster als die Bundesregierung und verweigerten beiden Anträgen mehrheitlich die Zustimmung. Es ist den Abgeordneten zu danken, dass sie sich in der Entscheidung über ein so hochsensibles Gesetz, dessen Tragweite buchstäblich über Leben und Tod von Menschen entscheidet, nicht zu einem überstürzten Votum haben drängen lassen.

Mit den Stimmen der Ampel-Koalition passierte hingegen am letzten Tag vor der Sommerpause ein beschleunigtes Verfahren für den Bau des LNG-Terminals in Mukran auf Rügen den Bundestag – gegen anhaltenden Protest aus der Region und mehrere Gutachten. Am selben Tag kündigte die Gemeinde Ostseebad Binz an, eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel des vorläufigen Baustopps zu beantragen. Ein im Auftrag der Gemeinde erstelltes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass wasserbauliche Mängel, der Küstenschutz und eine unrealistische Bauzeitenplanung mit Inbetriebnahme der Anlage im Dezember 2023 gegen die Genehmigung des Vorhabens sprechen.1

Etwa dreiviertel aller Gesetze sind im letzten Jahr mit Fristverkürzungen durch den Bundestag getrieben worden. Versucht der Gesetzgeber, kontroverse Argumente und Debatten zu Gesetzesvorhaben durch Tempo abzuwürgen? Ein solches Vorgehen spräche nicht für Kompetenz oder gar Ausgewogenheit, sondern für Machtmissbrauch, dem sich die Abgeordneten des Bundestags schon formal widersetzen müssen. Gesetzgebungs- und Planungsprozesse sind in Deutschland langwierig. Aber beschleunigen kann man sie nicht, indem man Debatten und Argumente unterdrückt, sondern indem der Gesetzgeber sie in die Verfahren einbezieht, um zu tragfähigen Gesetzesvorlagen zu kommen.

Dieses Kriterium erfüllen die drei vorgenannten Gesetzesentwürfe nicht, und damit werden rechtsstaatliche Regeln ausgehebelt. Rechtsstaatlichkeit misst sich an einer funktionierenden Gewaltenteilung. Voraussetzung dafür sind für die Bürger verständliche Gesetze, die deren Rechte und Pflichten klar definieren und dem Gemeinwohl dienen. Undurchsichtige, widersprüchliche oder nicht umsetzbare Gesetze verunsichern und höhlen das Vertrauen in den Rechtsstaat aus. Unklare Gesetze bedingen eine willkürliche Umsetzung durch die Verwaltung und eine unberechenbare Rechtsprechung. Zudem untergräbt ein Übermaß an gesetzlichen Regelungen deren Verständnis, die Handhabbarkeit und die Eigenverantwortung der Bürger, von Kommunen und Unternehmen.

Das Heizungsgesetz stellt einen vorläufigen Höhepunkt staatlicher Überregulierung der Wirtschaft und Bevormundung der Bürger in Deutschland dar, ohne planbare Vorgaben und realistische Perspektiven für die Umsetzung. Mit der angekündigten Verabschiedung im September und Inkrafttreten im Januar 2024 wird die Planungsunsicherheit für alle Betroffenen weiter verschärft.

Beim Bau des LNG-Terminals in Mukran wurden die Beteiligten vor Ort und Fachgutachten übergangen, der Standort, Größe und Notwendigkeit des Terminals als alternativlos dargestellt. Damit wird die Urteilsfähigkeit der Betroffenen infrage gestellt, auf deren Kooperation der Gesetzgeber in der Umsetzung angewiesen ist.

Eine Reform zur Sterbehilfe forderte das Bundesverfassungsgericht. Dass dafür noch immer niemand einen tauglichen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, liegt offensichtlich an der Untragbarkeit der Forderung des höchsten Gerichts nach einem selbstbestimmten Sterben. Die selbstbestimmte Verfügung über das eigene Leben und Sterben bezeichnet es in seinem Urteil vom 26.02.2020 als unmittelbaren Ausdruck der der Menschenwürde innewohnenden Idee autonomer Persönlichkeitsentfaltung. Die Kritik an den jetzt vorliegenden Gesetzesentwürfen stellt vor allem die autonome Urteilsfähigkeit im Angesicht des eigenen Todes infrage und fordert Suizidprävention statt -hilfe.

Bei allen drei Vorhaben zeigt sich die Tendenz der Gesetzgebung, über den Menschen zu verfügen. Sterbehilfe bedeutet keine selbstbestimmte Freiheit zum Sterben, sondern im Ernstfall fremdbestimmte Nötigung, wie in Ländern wie Belgien und den Niederlanden zu beklagen. Das Heizungsgesetz ist ein Eingriff in das Eigentum der Bürger und die Eigenverantwortung der Wirtschaft. Und mit der Entscheidung über den LNG-Terminal wird über eine Region verfügt, die sich dennoch nicht ohnmächtig ergibt.

Ernst-Wolfgang Böckenförde, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, stellte in seinem bekannten Dilemma fest:

Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.“2

Dass heute die Kirchen wieder in Religionskriege verfallen, muss niemand befürchten. Wir haben auch keinen säkularen Staat, sondern ein Neutralitätsgebot des Staates gegenüber Religionsausübung und Weltanschauungen. Es war jedoch das christliche Fundament der europäischen Kultur, aus dem die moralische Substanz des einzelnen und die Homogenität der Gesellschaft deren Freiheit ermöglicht und reguliert hat. Die Freiheit von den Geboten Gottes hingegen, die ein säkularer Staat propagiert, kann dieser weder moralisch füllen noch die Gesellschaft darin einen. Sie mündet zwangsläufig in der Knechtschaft einer autoritativen Regierung, die mittels Rechtszwang den selbstgesetzten, ideologischen Totalitätsanspruch durchzusetzen versucht.

Und sei es durch verkürzte Gesetzgebungsverfahren, die argumentative Debatten verhindern. Nach dem Scheitern der so vorangetriebenen Gesetze ist in der Sommerpause Zeit zum auf Reede liegen und den Kurs der Regierung zu überdenken: Geht es darum, die Würde und Freiheit der Menschen zu stärken und zu nutzen oder sie zu bevormunden und zu unterdrücken? Kein noch so alternativlos propagierter Zweck heiligt diese Mittel.

Wir wünschen allen Mitgliedern des Bundestages und der Bundesregierung, dass sie über den Sommer ihren Anker im Fundament der Gebote Gottes werfen, um von da aus das Regierungsschiff weiter zu steuern, ohne dass es kentert.

1 https://www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/verheerendes-gutachten-platzt-jetzt-habecks-lng-traum-li.369444

2 Ernst-Wolfgang Böckenförde: „Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation“ In: Recht, Staat, Freiheit. 2006, S. 112 f.