Vom 29. Mai bis 1. Juni 2022 fand auf dem Schönblick in Schwäbisch Gmünd der erste christliche Kongress gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung statt und stellte die Frage: Was können wir Christen gegen dieses Unrecht tun?
Menschenhandel und Sklaverei sind grausame Realität für Millionen Menschen weltweit. Das Geschäft mit der „Ware Mensch“ boomt in all seinen unvorstellbaren Ausprägungen. Betroffene werden sexuell ausgebeutet und über Landesgrenzen hinweg verschleppt, auch in Deutschland, dem „Bordell Europas“, wie Medien es zurecht betiteln.
Der Kongress informierte dabei über Strukturen und Strategien des Menschenhandels in Deutschland und weltweit, und zeigte besonders die problematische deutsche Gesetzeslage und die politische Dimension auf. Man gab Betroffenen eine Stimme und stellte Lösungsansätze verschiedener Hilfsorganisationen vor, wie Perlenschatz, das Projekt „Schattentöchter,“ NEUSTART e.V., die Modemarke „eyd“, Hope e.V. und das internationale Anwaltsnetzwerk IJM, um hier nur einige zu nennen.
Gaby Wentland moderierte den Kongress. Sie ist über ihre Hamburger Hilfsorganisation „Mission Freedom“ gut in der Szene vernetzt und tritt in gewisser Weise in die Fußstapfen von Sr. Dr. Lea Ackermann, die mit Ihrem Hilfsverein „Solwodi“ schon ihr ganzes Leben den auf dem Kongress angesprochenen Themen widmet.
Was die Themen und Zeugnisse Betroffener angeht, waren diese kaum anzuhören und zu ertragen, und sollen daher hier auch nicht wiedergegeben werden. Folgend nur ein paar Eckdaten, damit der Leser zumindest eine ungefähre Vorstellung davon bekommt, was vor unserer Haustür in Deutschland geschieht:
Die Schätzungen der Anzahl Prostituierter in Deutschland belaufen sich auf 200.000 bis 700.000 Menschen. Hope e.V. schätzt etwa 500.000 Frauen in Prostitution, von denen sie 98 % in der Zwangsprostitution vermuten, die den Tatbestand des Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung erfüllt. Polizeikreise in Deutschland gehen von mindestens 90 % Zwangsprostitution aus. 96 % der Opfer von sexueller Ausbeutung sind Frauen. Diese Frauen arbeiten zwangsweise und unfreiwillig in der Prostitution und sind nicht freiwillige und selbstbewusste Unternehmerinnen, wie uns bestimmte Parteien glauben machen wollen. Sie arbeiten häufig 12 Stunden täglich im Bordell und bedienen dabei im Extremfall bis zu 30 Freier am Tag. Dabei müssen Sie fast alles tun, was Kunden wünschen. Obwohl es menschenverachtend ist, ist vieles davon durch die derzeitige rechtliche Lage in Deutschland legalisiert. Die Gesetzeslage in Deutschland ist für Prostituierte höchst problematisch. Sie führt dazu, dass Menschenhandel leicht gemacht wird und strafrechtlich nur sehr schwer zu verfolgen ist.
Die deutsche Gesellschaft verdrängt das Thema Prostitution. Doch Zwangsprostitution darf in Deutschland nicht länger selbstverständlich bleiben. Es gibt politische Lösungen wie das sogenannte „Nordische Modell“, für das wir als Bündnis C eintreten. Es trägt seinen Namen durch den erfolgten Paradigmenwechsel in den nordischen Ländern Schweden, Norwegen und Island. In Schweden wurde bereits 1999 ein Sexkaufverbot eingeführt, indem nicht mehr die Frau, sondern der Sexkäufer bestraft wird. Aufgrund des nachweislichen Rückgangs von Prostitution empfiehlt das Europäische Parlament seit 2014 die Einführung des Nordischen Modells ihren Mitgliedsländern. Nach Kanada führten auch Nordirland, Frankreich und Irland ein den Sexkauf bestrafendes Gesetz ein, zuletzt Israel 2020. In Deutschland hingegen fehlt der politische Wille dazu. Das am 21.10.2016 eingeführte und möglicherweise gut gemeinte Prostituiertenschutzgesetz trat 2017 in Kraft. Kernpunkte sind eine Erlaubnispflicht für alle Prostitutionsgewerbe und eine Anmeldebescheinigung für Prostituierte. Damit sollen Prostituierte besser geschützt und Kriminalität bekämpft werden. Jedoch gehen alle diese wohlfeilen Wünsche und Vorstellungen vollständig an der Realität vorbei. In meinem Fachbereich der Krankenversicherung schreibt das Gesetz beispielsweise die rechtliche Pflicht einer Krankenversicherung vor. In der Realität ist dies jedoch in weniger als 10 % der Fälle zutreffend, weil die meisten Prostituierten nicht gesetzlich krankenversicherungspflichtig sind und andererseits die Privaten Krankenversicherungen diesen Personenkreis nicht aufnehmen
Bündnis C setzt sich für die Einführung des Nordischen Modells und damit gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution in unserem Land ein. Kämpfen Sie mit – es gibt zahlreiche Möglichkeiten:
- Christen und Gemeinden werden zum Handeln ermutigt, in dem sie sich den genannten Hilfsorganisationen oder solchen in Ihrer Stadt anschließen und mithelfen.
- Unterstützen Sie die Hilfsorganisationen finanziell und im Gebet und helfen Sie so mit, dass wenigstens die eine oder andere Frau gerettet werden kann.
- Informieren Sie sich weiter über das Thema und bleiben Sie am Ball.
- Unterschreiben Sie die Petition, die Sie an folgender Stelle finden: https://www.schoenblick.de/de/unterschriftenaktion#lesen
- Unterstützen Sie uns im Gebet und finanziell in unserem politischen Kampf gegen dieses himmelschreiende Unrecht.
Beenden möchte ich den Artikel mit einem auf das Thema übertragenen Zitat von William Wilberforce: „Sie können sich nun weiter entscheiden wegzusehen, aber Sie können nie mehr sagen, sie hätten es nicht gewusst.“
Frank Brandenberg