Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland 162 271 Asylanträge gestellt, rund 67 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Antragsteller kommen vor allem aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und dem Irak, die meisten mit Schleppern übers Mittelmeer. Die Balkanroute wurde von der EU weitgehend dichtgemacht, um illegale Migration, Kriminalität und Menschenhandel zu unterbinden. Dafür wurden im ersten Halbjahr etwa 45 000 illegale Einreisen über Belarus und die polnische Grenze registriert. Hinzu kamen Visa für etwa 30 000 Afghanen seit 2021 über ein Aufnahmeprogramm des Außenministeriums und seit Februar 2022 etwa 1 Million ukrainische Kriegsflüchtlinge nach Aufenthaltsgesetz. Damit übersteigen die Flüchtlingszahlen die von 2015/16 bei Weitem. Etwa 50% der Asylbewerber erhalten einen Flüchtlingsstatus. Aber wer es nach Deutschland geschafft hat, muss auch ohne Schutzstatus kaum Abschiebung befürchten. Zusammen mit den höchsten Sozialleistungen ist Deutschland damit nach wie vor Zielland Nr. 1.

Die Kapazitäten der Kommunen sind weitgehend erschöpft. Von den 2015/2016 eingereisten, hauptsächlich jungen Männern ist etwa ein Drittel in Arbeit oder Ausbildung. Gelungene Integration wird meist daran festgemacht. Unbeschäftigte junge Männer sind nicht nur für jede Gesellschaft eine Gefahr, sondern erst recht für ihr eigenes Leben, dessen Potenzial brach liegt. Indem die deutsche Politik mit falschen Anreizen Flüchtlinge zu Sozialhilfeempfängern macht, untergräbt sie zugleich deren Würde und Akzeptanz.

Die Landräte in Baden-Württemberg wollen Flüchtlinge deshalb zur Arbeit verpflichten, auch in gemeinnützigen Bereichen, und Anforderungen an Unterbringung, Versorgung und Betreuung reduzieren.1 Das klingt für deutsche Sozialstaat-Vorgaben unerhört, trifft aber die Erwartungen, die ein Gastland an jeden arbeitsfähigen Zuwanderer stellen muss. Für Hilfsarbeiten reichen minimale Sprachkenntnisse, die im Arbeitsalltag mit deutschen Kollegen schneller besser werden als in teuren Sprachkursen, wo Zugewanderte unter sich bleiben. Integration und Akzeptanz von Flüchtlingen gelingt nicht mit Rundumversorgung und Bürgergeld, sondern mit Verantwortung für den eigenen Lebensunterhalt und das Gemeinwohl.

Wie das geht, kann Deutschland von Israel lernen, das von Beginn seiner Existenz an Einwanderungsland war und ist. Während Israel seine Zuwanderer zu aktiven Bürgern macht und seine Hilfen entsprechend strukturiert, verschleißt Deutschland Unmengen Geld und Personal für deren Betreuung und versagt im großen Stil bei der wirtschaftlichen Integration. Damit wäre Israel nie die erfolgreiche Nation geworden, die es heute ist. „Der Staat Israel ist keine Wohlfahrtseinrichtung, er ist ein Bauunternehmen“, erklärte der israelische Premierminister Moshe Sharett 1954. Was schwer traumatisierte Holocaust-Überlebende seit dem 2. Weltkrieg geschafft haben, gilt bis heute und dürfte Deutschland als Beispiel dienen. Wohnraum und Sozialleistungen werden Zuwanderern für ein Jahr gestellt. Bis dahin müssen sie Hebräisch lernen, Arbeit und Wohnung finden. Wer das weiß und bleiben will, wird entsprechend aktiv.

Die Integration in den Arbeitsmarkt muss angesichts des mittlerweile dysfunktionalen Asylsystems in Deutschland auch unabhängig vom Schutzstatus erfolgen. Da Abschiebungen kaum erfolgen oder scheitern und jede Arbeitskraft gebraucht wird, darf es nicht mehr darum gehen, wer arbeiten darf, sondern dass jeder, der nach Deutschland einreist, nach festgelegten Kriterien verpflichtet ist zu arbeiten. Ausgenommen sind selbstverständlich Mütter mit kleinen Kindern, Alte und Kranke, nicht jedoch junge Männer, die den Großteil der Einreisenden stellen.

Die Integration in den Arbeitsmarkt ist nur ein Aspekt einer geregelten Flüchtlingspolitik, wenn auch der notwendigste. Die Aufnahmekapazität der Gesellschaft, bemisst sich zudem daran, inwieweit die einheimische Bevölkerung Beziehungen zu den Zuwanderern eingeht: in der Arbeitswelt, Nachbarschaft, in Kirchen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Diese Bereitschaft kann die Politik nicht erzwingen, sondern muss sie beachten bei der Steuerung von Zuwanderung. Staatliche Leistungen wie Wohnraum und Sprachkurse sind Erstversorgung, aber keine Aufnahme in die Bevölkerung. Wo die nicht geschieht, bilden Zuwanderer Parallelgesellschaften, womöglich gegen die Gastgeber. Messerattacken, sexuelle Übergriffe und Schlägereien gefährden zunehmend unsere Städte, Parks, Schwimmbäder und Züge. Die deutsche Politik hat in Migrantenmilieus eine Anspruchshaltung und Feindseligkeit gegenüber den Einheimischen erzeugt, die zum Boomerang wird und den sozialen Frieden zerstört.

Über Werte und Normen, die Zuwanderer zu achten und zu befolgen haben, muss sich jedoch zuerst die Mehrheitsgesellschaft vergewissern, diese erneuern und kultivieren. Dabei geht es um mehr als einen Homo oeconomicus und dass Flüchtlinge arbeiten müssen, auch wenn die materiellen Bedürfnisse grundsätzliche Notwendigkeit sind. Wo die christliche Prägung unserer Kultur und Gesellschaft mit ihren ethischen Normen über Bord geworfen wurde, klafft ein Vakuum an Orientierung, was gut und richtig ist, wo Chaos und das Böse sich ausbreiten können. Als christliche Partei rufen wir Einheimische und Zuwanderer zu Christus, wo Wegweisung und Heilung für unser Land ist.

Nicht nur Deutschland ist indes mit Zugewanderten aus dem Nahen Osten und Afrika überfordert, sondern immer mehr europäische Länder. Die EU hat eine Asylreform in Arbeit, die Asylverfahren an die Außengrenzen verlegen will, damit abgelehnte Bewerber nicht erst in die EU gelangen. Das ist Teil des EU-Migrationspakts bereits seit 2020, der aber an der Kooperation der meisten Herkunftsländer scheitert. Wir befürworten Asylzentren in den Herkunftsländern, damit die Bedürftigsten eine Chance auf Asyl bekommen und nicht nur die Stärksten, die es mit Hilfe oft krimineller Schlepper übers Mittelmeer schaffen.

Um irreguläre Immigration zu stoppen, braucht es über den Schutz der Außengrenzen der EU hinaus eine langfristige Strategie, die Fluchtursachen reduziert. Die europäische Wirtschafts- und Außenpolitik hat massive Auswirkungen auf Migration und Fluchtursachen in den Herkunftsländern im Nahen Osten und Afrika. Neben menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen mahnt Bündnis C eine Außenpolitik an, die nicht zugunsten nationaler Interessen korrupte und repressive Regime beschwichtigt. Stattdessen muss Europa mit Akteuren und Unternehmen in diesen Ländern zusammenarbeiten, die sich für die Grundfreiheiten einsetzen, für die auch die EU aus ihrer christlichen Prägung steht. Nur so können Fluchtursachen, illegale Migration und die dadurch verursachten Spannungen und Kosten in Europa langfristig reduziert werden.

1 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/baden-wuerttemberg-fluechtlinge-sollen-zur-arbeit-verpflichtet-werden-a-d31af6bd-4a38-40e1-9b6a-93b3db619574