Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundeskanzler Olaf Scholz haben ihre Antrittsbesuche in Paris, Brüssel und Warschau absolviert. Kanzler Scholz hat die Außenpolitik zur Chefsache erklärt. Bisher ist Außenpolitik interessengeleitet, Außenministerin Baerbock will sie wertebasiert. Angezeigt ist weder ein „Weiter so“ noch ein grüner Idealismus, sondern anderen Nationen aus der Position der Deutschland anvertrauten Stärke zu dienen.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung steht: „Unsere Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik werden wir wertebasiert und europäischer aufstellen. Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen. […] Dabei leiten uns unsere Werte und Interessen. […] Die Menschenrechte als wichtigster Schutzschild der Würde des Einzelnen bilden dabei unseren Kompass.“ [1]

Bislang wurde in den internationalen Beziehungen über Werte und Menschenrechte geredet, im Mittelpunkt des politischen Handelns standen jedoch Interessen der Staaten. Für einen Paradigmenwechsel zu einer wertebasierten Außenpolitik gibt es weder in der EU noch in der neuen Bundesregierung eine Geschlossenheit. Internationale Partner erwarten von der deutschen Außenpolitik vor allem Kontinuität, für die Scholz einsteht. In seinem ersten TV-Interview stellte er klar, dass der Kanzler die Richtlinienkompetenz in der Außenpolitik hat. Ihm sprang SPD-Altkanzler Gerhard Schröder bei mit der Bemerkung, dass der Anspruch „am grünen Wesen soll die Welt genesen“ nicht aufgehen wird. Ein Land wie China zu isolieren, wird Deutschland nicht nur wirtschaftlich teuer zu stehen kommen, sondern es auch für die westlichen Klimaziele verschließen, die auf der Agenda der Ampelkoalition ganz oben stehen. Die Konfrontation Russlands hat bereits die Energiekrise mit herbeigeführt. Die Außenministerin will die Ostseepipeline Nord Stream 2 nicht genehmigen, der Kanzler will sie in Betrieb nehmen. „Klimadiplomatie“ ist neu in der Hand des Außenministeriums. 

Eine Politik aus „Dialog und Härte“, wie Baerbock sie anstrebt, wird im Koalitionsvertrag weder gegenüber Russland und der Ukraine, noch gegenüber China konkret. In Polen erntete die deutsche Außenministerin bei ihrem Antrittsbesuch vor allem Gegenwind für die Pläne der Ampel-Koalition, aus der EU einen föderalen Bundesstaat machen zu wollen, und wie zu erwarten gegen EU-Vorschriften zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Besonders in der Beziehung zu unserem Nachbarland ist Deutschland jedoch in der Pflicht, Polen nicht in den EU-Austritt zu drängen. In der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Belarus ist die EU auf die Kooperation Polens angewiesen und umgekehrt.

Am unglaubwürdigsten für eine wertebasierte Außenpolitik ist der Versuch, das Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben. Baerbock bedauerte bei ihrem ersten G7- Außenministertreffen in Liverpool, dass der Iran das jüngste Angebot der Verhandlungen vom Tisch gewischt hat. Die Menschenrechtsverletzungen des iranischen Regimes spielten keine Rolle. Hingegen sind bei dem Abkommen deutsche Wirtschaftsinteressen im Iran zentral, die mit der Verhinderung von Sanktionen gegen Teheran die Sicherheit Israels aufs Spiel setzen.  

Letztlich handelt es sich bei den Polen „Interessen oder Werte“ beiderseits um deutsche Interessen – bei ersteren um wirtschaftliche, auf der anderen Seite um Menschenrechte nach grünen Vorgaben. Im Koalitionsvertrag hervorgehoben sind reproduktive Selbstbestimmung, LSBTI-Rechte und ein Recht auf saubere Umwelt, während der Begriff der Religionsfreiheit nicht vorkommt. Muslimfeindlichkeit soll bekämpft werden, Christenverfolgung ist kein Thema.  Menschenrechtsorganisationen fordern, einen neuen Beauftragten für weltweite Religionsfreiheit zu ernennen, der nicht mehr vorgesehen ist.

Zur Realität der Außenpolitik wird vor allem Krisenbewältigung gehören. Deutschland braucht wirtschaftliche Stärke, um in den Krisen der Welt nicht selbst unterzugehen, sondern auch anderen helfen zu können. Deeskalation darf aber nicht länger Beschwichtigungspolitik gegenüber Unrechtsregimen wie dem Iran und der Türkei sein, deren Verfolgte in Deutschland Asyl suchen. Deutschland darf sich mit eigenen Interessen nicht erpressbar machen.

Sich für die Achtung der Würde aller Menschen auch international einzusetzen, ist unser Anspruch. Dessen Durchsetzung weltweit ist aber nicht Aufgabe Deutschlands oder der westlichen Welt, sondern Verpflichtung jeder Regierung. Dafür, inwieweit eine Regierung diesem Anspruch nachkommt, ist sie selbst vor ihrem Volk und vor Gott verantwortlich, auch die neue Bundesregierung. Die allseitige Forderung von Demokratie und Menschenrechten ist fragwürdig angesichts des Abbruchs demokratischer Grundrechte im eigenen Land.

Multilateralismus kann Zusammenarbeit fördern, aber keine weltweiten Vorschriften machen. Die Berufung Deutschlands ist es, anderen Nationen zu dienen aus der Position der Stärke, zu der Gott unserem Land verholfen hat. Die deutsche Außenpolitik ist gefordert, andere Nationen höher zu achten als ihre eigenen Werte und Interessen.

[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf S. 143