Die Bundesregierung hat ein Konjunkturpaket in Höhe von 130 Mrd. Euro beschlossen. Dafür wurde erneut die Schuldenbremse außer Kraft gesetzt und die neue Rekordverschuldung des Staates steigt für das laufende Jahr auf 218,5 Mrd. Euro. Im Vordergrund steht das Ankurbeln des Konsums mit der Senkung der Mehrwertsteuer und dem Kinderbonus für Familien. Die kommende Wirtschaftskrise ruft jedoch nach neuen Modellen für unser Wirtschafts- und Finanzsystem.
Das Konjunkturpaket soll die Nachfrage stärken, Investitionen von Kommunen und Unternehmen fördern und will mit 50 Mrd. Euro die Mobilitäts- und Energiewende und Digitalisierung vorantreiben. Mit dem Paket sollen vor allem Massenentlassungen verhindert werden, die neben den sozialen Spannungen den Staat in der Konsequenz noch teurer zu stehen kämen. Es ist damit die Erwartung verbunden, dass mit der Stärkung der Konjunktur ein Teil der jetzigen Ausgaben bald als Steuereinnahmen und Sozialabgaben in die Staatskasse zurückfließt.
Zu begrüßen sind Steuerentlastungen für Unternehmen und Bürger, die unter den hohen Abgabenlasten in Deutschland leiden. 3% weniger Mehrwertsteuer werden nicht viele Menschen zum Kaufen verleiten, sind aber dauerhaft überfällig nach immer neuen Erhöhungen in den letzten Jahrzehnten. Die Unsicherheiten in der Wirtschaft weltweit kann das Konjunkturpaket hingegen nicht ausgleichen. Die deutsche Wirtschaft ist als Exportweltmeister von der Nachfrage im Ausland abhängig, die immer mehr einzubrechen droht.
Finanzsystem als Dienstleister der Wirtschaft
Gerade deshalb braucht unser Wirtschaftssystem Reformen jenseits der bisherigen Gesetze, die das Konjunkturprogramm erneut stützen will. Kernpunkt ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von einem Finanzsystem, das mit Zinsen und Zinseszins enorme Geldmengen ungerechtfertigt aus der Wirtschaft herauszieht und sie damit zum quantitativen Wachstum zwingt, um ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern zu bezahlen. Damit wurde die Schere zwischen Arm und Reich weltweit immer größer. Wenn der Staat jetzt Milliardenschulden aufnimmt, um Konsum und Wachstum anzukurbeln, bedient er in der Konsequenz zum großen Teil wieder das Finanzsystem wie bereits während der Finanzkrise 2010. Hingegen sollten die Banken in die Pflicht genommen werden, gerade in dieser Krise die Wirtschaft zu stützen. Mit den Niedrig- oder gar Negativzinsen funktioniert das herkömmliche Geschäftsmodell der Banken ohnehin nicht mehr, und es ist jetzt der Zeitpunkt für einen Paradigmenwechsel im Bankensektor. Die Finanzwirtschaft muss Teil der Wirtschaft sein und als deren Dienstleister fungieren.
Die exorbitante Neuverschuldung des Staates legt der nächsten Generation erneut Lasten auf, die sie weder tragen noch jemals bezahlen kann. Neue Staatsschulden können für Investitionen in die Infrastruktur, Forschung und Entwicklung gerechtfertigt sein, von der unsere Kinder in der Zukunft profitieren. Das Ankurbeln des Konsums auf Staatskosen verpufft hingegen und wird auch diesmal scheitern wie bereits 2009 mit der Abwrackprämie. Das Konsumverhalten der Bevölkerung scheint unter dem Lockdown eher zu gesunden und ein Bewusstsein sich Bahn zu brechen, dass wir viel weniger brauchen, als die meisten von uns kaufen. Warum soll weiter materieller Überfluss angehäuft werden, der Menschen zu Konsumsklaven macht?
Qualität und Vertrauen statt Konsum zwecks Wachstum
Es kann nicht weiter darum gehen, dass ein Überangebot der Wirtschaft in den Industriestaaten immer neue Bedürfnisse der Konsumenten weckt, sondern dass eine marktbereinigte Wirtschaft schafft, was wir zum Leben brauchen. Das absehbare Schrumpfen der Wirtschaft in der kommenden Krise kann eine neue Perspektive eröffnen, in der nicht allein zahlenmäßiges, sondern qualitatives Wachstum in den Vordergrund rückt. Viele mittelständische Unternehmen wirtschaften bereits in diesem Bewusstsein, weil sie im Wettbewerb mit internationalen Konzernen ohnehin nur mit Qualität und Vertrauen und nicht mit Quantität punkten können. Diese Unternehmen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft und des Sozialsystems. Sie müssen durch Geldgeber gestützt werden, die sich für das Unternehmen, und nicht nur für ihre Rendite interessieren. Und sie müssen vom Staat von zu hohen Steuern und bürokratischen Vorschriften befreit werden.
Menschenzentriert statt finanzzentriert
Wir brauchen eine Wirtschaft, die nicht dem Finanzsystem, sondern dem Leben und der Würde der Menschen dient. Menschen sind nicht nur Arbeitskräfte und Konsumenten im System, sondern Beteiligte im gesamten Wirtschaftsprozess. Biblisch fundierte Wirtschaftsmodelle, die in den letzten 20 Jahren entwickelt wurden, sehen die Wirtschaft nicht nur materialistisch als Prozess zur Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen, sondern als Gefüge gegenseitiger Beziehungen, in dem Werte für alle Beteiligten und für das Gemeinwohl geschaffen werden: von den Familien der Mitarbeiter bis zu den Kunden, von Geldgebern und Aktionären bis zu Zulieferern und zum kommunalen Umfeld des Unternehmens.
Beziehungs- und familienorientiert statt Individualismus und Konkurrenz
Das Humankapital eines beziehungsorientierten Wirtschaftsdenkens sind Familien und nicht autonome Individuen, weil die nächste Generation Teil des Beziehungsgefüges im langfristigen Wirtschaftsprozess ist. Intakte Familien sind nicht nur die Leistungsträger jeder gesunden Gesellschaft und bilden deren soziale Basis. Ohne eine starke, umfassend gebildete nächste Generation hat kein Unternehmen und keine Volkswirtschaft Bestand. Die nächste Generation wird in Familien großgezogen, die deshalb betriebs- und volkswirtschaftlich gedeihliche Arbeits- und Lebensbedingungen vorfinden und in der Lage sein müssen, ihr notwendiges Einkommen zu verdienen. Ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro aus dem Konjunkturpaket freut sicher Familien, trägt aber nur zum Konsum bei. Familien brauchen hingegen zuverlässiges Einkommen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten und Bildung und Erziehung ihrer Kinder finanzieren. Statt einem staatlich vorgeschriebenen Mindestlohn, der nur für Singles zum Leben reicht, müssen Unternehmen steuerlich entlastet werden, damit sie ihre Mitarbeiter angemessen bezahlen können. Und Eltern brauchen finanziellen Spielraum, um ihre Kinder zu erziehen.
Mit dem Konjunkturpaket wird stattdessen wieder und weiter einseitig der Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung vorangetrieben und subventioniert. Während des Lockdown haben Eltern neben der Arbeit ihre Kinder betreut und sogar unterrichtet. Angesichts der jetzt schrumpfenden Wirtschaft und absehbar höheren Arbeitslosenzahlen statt dem bisherigen Fachkräftemangel werden viele Eltern weiter die Zeit dafür haben, ihre Kinder selbst zu erziehen, und das zumindest zum Teil auch gern tun. Dafür brauchen sie die finanziellen Mittel, wie Bündnis C sie mit einem Erziehungsgehalt empfiehlt. Angesichts der horrenden Summen, mit denen die Wirtschaft gestützt werden soll, ist jetzt ein Erziehungsgehalt die nachhaltigste Investition in die Zukunft. Teil eines beziehungsorientierten Wirtschaftsdenkens ist die umfängliche Stärkung von Familien, weil dort Bindung, Beziehungen, Bildung und Leistung zuerst gelebt und erlernt werden.
Qualitatives Wachstum schont Umwelt und Ressourcen
Nicht zuletzt ist der Mensch in Beziehung zur Schöpfung geschaffen und wir sollen gute Haushalter unserer natürlichen Ressourcen sein. Das Konjunkturpaket wird mit der Mobilitäts- und Energiewende nicht das Klima und den Planeten retten, setzt jedoch die bereits angeschlagene Autoindustrie weiter unter Druck und gefährdet die eigenständige Energieversorgung. Eine Wirtschaft, die nicht mehr nur auf quantitatives, sondern auf qualitatives Wachstum setzt, beendet Raubbau an unseren Ressourcen und der Umwelt inklusive. Angesichts der globalen Krise und zunehmender internationaler Spannungen verlagern bereits Firmen Teile ihrer Produktion wieder ins Inland. Der Aufbau regionaler Wirtschaftsstrukturen und Lieferketten stärkt die Beziehungen der Beteiligten und die gegenseitige Verantwortung zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung. Sie verringert Mobilität, dient damit dem familiären Zusammenhalt und schont Umwelt und Ressourcen.
Statt Kapitalismus oder Sozialismus – Relationismus
Vor 30 Jahren sind die sozialistischen Wirtschaftssysteme in Europa zusammengebrochen. Auch das kapitalistische Wirtschaftssystem ist seit längerem in der Krise und braucht jetzt Reformen. Die Lösung ist weder noch mehr staatliche Regulierung, die die Wirtschaft mit politischen Vorschriften knebelt, noch sind es allein die Gesetze des Marktes und der Finanzwirtschaft. Beide Systeme sind rein materialistisch. Eine Wirtschaft, die dem Leben dient, braucht jeden Menschen mit seinen Begabungen und seiner Berufung. Sie eliminiert nicht den Leistungsgedanken, wie es die Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen tun. Ein beziehungsorientiertes ökonomisches Denken, wie es die Wirtschaftsphilosophie des Relationismus entwickelt, schafft Effizienz, indem es zum gegenseitigen Gewinn der Beteiligten agiert. Das Wettbewerbsprinzip, wo Firmen und Individuen gegeneinander konkurrieren, wird durch Kooperation in den Wirtschaftsbeziehungen ergänzt. Es motiviert zu Verantwortung und Kreativität, indem es faire Erträge für alle Beteiligten und gemeinsame Werte schafft. Effizienz zielt auf Profitoptimierung statt –maximierung.
Wir können die Krise zur Chance für eine reformierte Wirtschaft werden lassen, wenn wir sie als Lebensprozess gestalten, statt weiter als Wettrennen ohne Ziel. Endloses Wachstum gibt es nicht, weil menschliches Leben und diese Welt endlich sind. Wohlstand ist nicht nur materiell, sondern manifestiert sich vor allem in guten Beziehungen der Menschen – im Miteinander statt Gegeneinander, in Freiheit in Verantwortung statt grenzenlosem Individualismus. Das Leben der Familien soll nicht weiter der Wirtschaft geopfert werden, sondern die Wirtschaft den Familien dienen. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das nicht finanzzentriert, sondern menschenzentriert aufgestellt wird.
Karin Heepen