Der CDU-Parteitag hat vor der Bundestagswahl ein Sofortprogramm für Wohlstand und Sicherheit beschlossen, das im Falle einer Regierung unter der Führung der CDU greifen soll. Wie realistisch sind die 15 Punkte zu Wettbewerbsfähigkeit und innerer Sicherheit? Was fehlt aus unserer christlichen Sicht im Wahlprogramm für einen Politikwechsel und was können wir guten Gewissens befürworten?

Über die Sofortmaßnahmen hinaus ruft Bündnis C – Christen für Deutschland die CDU/CSU auf, ihre Politk neu an der christlichen Wirtschafts- und Sozialethik auszurichten, die das Erfolgsprogramm der Christdemokratie begründet hat.

Nothilfe für die Wirtschaft

Entlastung der Wirtschaft von Vorschriften, Abgaben und Bürokratie – so kann man die ersten 9 Punkte des Sofortprogramms zusammenfassen. Die Senkung der Stromsteuer und der Netzentgelte soll die überdurchschnittlichen Energiepreise in Deutschland reduzieren. Die Agrardieselrückvergütung soll die Landwirte entlasten und die Reduzierung der Umsatzsteuer in Restaurants die Gastronomie und Verbraucher. Flexiblere Arbeitszeiten und steuerfreie Überstundenzuschläge sollen für Unternehmen mehr Handlungsspielraum schaffen und Anreize für Arbeitnehmer, ebenso ein steuerfreier Zusatzverdienst für Rentner.

Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind überfällig, damit Unternehmen wieder Freiheit zum Wirtschaften haben und nicht für ausufernde Berichtspflichten Personal einstellen müssen, das sie für die Produktion bräuchten. Auch wenn wir uns dafür einsetzen, dass Kinderarbeit und Zwangsarbeit aus den Lieferketten eliminiert werden, übersteigt die deutsche Lieferkettenregulierung die Möglichkeiten mittelständischer Unternehmen zur Nachverfolgung weitgehend und muss zurückgenommen werden.

Die Sofortmaßnahmen werden der deutschen Wirtschaft nicht zu neuem Wachstum verhelfen. Sie können ihr aber eine Atempause verschaffen und eine grundlegende Konsolidierung einleiten. Wenn die CDU Wohlstand verspricht, muss die Politik dem Mittelstand vertrauen, um die Versorgung des Landes zu sichern.

Klimaziele dürfen die Wirtschaft nicht dominieren

Fraglich erscheint die angekündigte Rücknahme der Belastungen des Energieeffizienzgesetzes, mit dem die Pflicht zur Einrichtung von Energie- oder Umweltmanagementsystemen für Unternehmen sowie zur Erstellung und Veröffentlichung von Umsetzungsplänen für wirtschaftlich durchführbare Endenergieeinsparmaßnahmen eingeführt wurde, die mittelständische Betriebe unter Androhung hoher Bußgelder eklatant belasten. Das Gesetz setzt aber die Energieeffizienzrichtlinie der EU (2023/17911) zur Erreichung der Energie- und Klimaschutzziele der EU um. Wer bei klimapolitischen Maßnahmen umsteuern will, muss auf europäischer Ebene ansetzen, wo Deutschland bisher nicht nur Vorreiter für Klimaziele war, sondern die EU-Richtlinien in der nationalen Gesetzgebung oft noch verschärft hat – zulasten der deutschen Wirtschaft und Verbraucher. So brachten CDU/CSU am 31. Januar 2025 zusammen mit SPD und Grünen noch eine Anpassung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes an die EU-Emissionshandelsrichtlinie ETS-II (2003 / 87 / EG) durch den Bundestag, die ab dem 1. Januar 2027 über den bis dahin obligatorischen europäischen CO₂-Zertifikatehandel die Preise für Heizen und Treibstoff unabsehbar in die Höhe treiben werden. In der Aufregung über das am selben Tag gescheitere Zustrombegrenzungsgesetz hat es dieses Gesetz kaum in die politische Berichterstattung geschafft, obwohl hier die Weichen für erhebliche Belastungen für Haushalte und Industrie gestellt wurden. Es gibt im Wahlprogramm der CDU keine Ansätze, den Green Deal der EU ins Visier zu nehmen und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Bürger. Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die angekündigte Abschaffung des Heizungsgesetzes ernsthafte Absicht ist oder ein Wahlversprechen, das bereits in den Koalitionsverhandlungen drangegeben wird. Das Gebäudeenergiegesetz ist das Projekt der gescheiterten Ampelregierung, das ohne Wenn und Aber praktikabel und technologieoffen verfasst werden muss, um verlorenes Vertrauen in die Politik wiederherzustellen. Niemand rettet das Klima und zukünftige Generationen, indem er die jetzt lebenden dem wirtschaftlichen Ruin preisgibt.

Staatsausgaben minimieren und weniger Schulden

Wir nehmen CDU/CSU beim Wort, die Zahl der Regierungsbeauftragten zu halbieren, weil ein Staat im christlichen Sinne ein schlanker Staat ist mit einfachen, für die Bürger transparenten Strukturen, ein Staat, der wenig Steuern erhebt und es weitgehend den Bürgern überlässt, gemäß ihren Wertvorstellungen mit ihren Einkommen und Vermögen zu verfahren – sei es im Heizungskeller ihres Hauses oder in ihrem Unternehmen. Die Bibel sagt in Sprüche 29,4: „Wer viel Steuern erhebt, richtet das Land zugrunde“. Das erleben wir in Deutschland. Der Staat muss Steuergelder zugunsten seines Volkes einsetzen, von dem er die Steuern erhebt, und nicht für ideologische Projekte und Wahlversprechen an bestimmte Klientel. Hier braucht es einen sichtbaren Politikwechsel gegenüber der Agenda der Ampelregierung wie auch der CDU-geführten Vorgängerregierung, die trotz boomender Wirtschaft und Rekordeinnahmen Investitionen in die Infrastruktur weithin versäumt hat. Nur mit geringeren Staatsausgaben und schlankeren Verwaltungsstrukturen wird es gelingen, die Schuldenbremse einzuhalten, wie die CDU es in ihrem Wahlprogramm vorsieht und wie es eine solide Haushaltsführung gebietet.

Das Böse begrenzen versus Freiheit erhalten

Die weiteren Punkte des Sofortprogramms sollen die innere Sicherheit in Deutschland verbessern: mit der Speicherung von IP-Adressen zur Verfolgung von sexuellem Missbrauch und Kinderpornografie, mit der elektronischen Fußfessel für Gewalttäter und mit der Rückabwicklung der Legalisierung von Cannabis. Die grundlegende Aufgabe des Staates aus christlicher Sicht ist der Schutz der Bürger vor Auswüchsen des Bösen, indem er das Böse bestraft und das Gute fördert und so ein nötiges Mindestmaß an öffentlicher Ordnung garantiert, damit die Menschen frei und sicher leben können. Mit dem Überhandnehmen von Verrohung, Gewalt und Ausschweifung ist der Staat jedoch immer mehr überfordert, eine Balance zu wahren zwischen der Begrenzung des Bösen und der Freiheit der Bürger. Anlasslose Datenspeicherungen dürfen Menschen nicht unter Generalverdacht stellen. Elektronische Fußfesseln sind bestenfalls Nothilfemaßnehme zum potenziellen Opferschutz. Wer dagegen meint, allein mit Prävention das Böse verhindern zu können, ist einem weltfremden Menschenbild verfallen wie die Ampelregierung mit der Behauptung, dass die Legalisierung von Cannabis dem Gesundheitsschutz dient. Der Staat darf nicht vor dem Bösen kapitulieren oder es gar legalisieren. Angesichts der Überforderung von Polizei und Justiz durch zunehmende Kriminalität kommt der Gesetzgeber absehbar aber nicht umhin, Freiheitseinschränkungen zu verhängen, um die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Wir erinnern hier an das Böckenförde-Diktum: Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Die moralische Selbstregulierung, die unsere freiheitliche Ordnung ermöglicht hat, hat sie aus der christlichen Ethik bezogen. Unsere Gesellschaft braucht die erlösende Kraft des Evangeliums, damit Menschen frei werden von der Macht des Bösen und um Recht und Freiheit zu erhalten.

Symptome von Migration eindämmen oder die Ursachen?

Die begrenzten Kapazitäten von Behörden und Sicherheitskräften dürfte auch der maßgebliche Einwand gegen den Fünf-Punkte-Plan der CDU zur Eindämmung illegaler Migration sein. Wer soll 4000 km Grenze kontrollieren und wie und tausende Ausreisepflichtige bewachen? Wir schätzen die Initiative der CDU/CSU-Fraktion, der Überforderung der Asylsysteme in Deutschland durch illegale Einwanderung mit Sofortmaßnahmen zu begegnen. Aber wir werden Migration nicht wesentlich mit Zurückweisungen und Rückführungen begrenzen. Asylanträge in sicheren Drittstaaten können helfen, dass die Bedürftigsten eine Chance auf Asyl in Europa bekommen und nicht nur die, die es übers Mittelmeer schaffen. In den Herkunftsländern anzusetzen, heißt jedoch nicht nur, Rückführungsabkommen zu schließen und Entwicklungshilfe daran zu binden. Fluchtursachen einzudämmen, erfordert von uns eine integre Wirtschafts- und Außenpolitik, die nicht Unterdrückung und Extremismus repressiver Regime wie im Iran und der Türkei stützt, die die Menschen in die Flucht treiben. Im Vordergrund einer interessengeleiteten Außenpolitik dürfen nicht länger die Wirtschaftsinteressen von Großkonzernen besonders in Afrika stehen und unfaire Handelsverträge, die Armut verstärken. Afrika braucht keine Entwicklungshilfe, sondern faire Unternehmen und Investoren. Hier brauchen wir in Deutschland und Europa einen Paradigmenwechsel für gerechte Beziehungen zu den Staaten, aus denen die Menschen nach Europa fliehen. Den sehen wir im Wahlprogramm der CDU über die Bekämpfung der Symptome hinaus wenigstens in einigen überfälligen Maßnahmen gegenüber dem Regime im Iran.

Wir können jungen Menschen aus Ländern mit einer schwachen Wirtschaft Ausbildung und Studium anbieten. Qualifizierte Fachkräfte aus ärmeren Ländern abzuwerben, ist für unser reiches Land ethisch unverantwortlich und verstärkt weiter Armut und Fluchtursachen in den Herkunftsländern. Wer aus humanitären Gründen in Deutschland Asyl beantragt, soll jedoch unabhängig vom Aufenthaltsstatus umgehend in Arbeit vermittelt werden. Das darf nicht nur für Ukrainer gelten, wie die CDU anstrebt. Wir dürfen das Potenzial junger Migranten nicht brach liegen lassen, ob sie bleiben oder wieder gehen, um ihrer selbst und des Gemeinwohls willen, solange sie hier sind.

Familienpolitik muss die alten Bahnen verlassen

Zuwanderung wird den Nachwuchsmangel der Industriestaaten nicht lösen. Wir vermissen schmerzlich ein Umsteuern der CDU in der Familienpolitik. Bis auf marginale finanzielle Entlastungen wird weiter auf den Ausbau außerhäuslicher Betreuung gesetzt, mit der bereits eine junge Generation herangezogen wurde, die zu einem großen Teil nur eingeschränkt beziehungs-, bildungs- und leistungsfähig ist. Wer wie die CDU die Wirtschaft langfristig stärken will, muss mit einer ressortübergreifenden Familienpolitik Mut machen, Kinder zu haben und sie gesund großzuziehen. Dafür brauchen wir gesunde Familien, die die Politik nicht schaffen, aber mit einem Erziehungsgehalt für ihre unverzichtbare soziale und Erziehungsverantwortung finanziell freisetzen kann. Eltern müssen in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt werden, statt sie an den Staat zu delegieren. Ein erster Schritt wäre das dreijährige Erziehungsgeld, das 2007 unter CDU-Führung abgeschafft wurde.

Frieden braucht Demut

Unser Kerngeschäft als Christen ist es, Frieden zu stiften. Leider ist im Wahlprogramm der CDU kein Umsteuern in der Politik gegenüber der Ukraine zu erkennen, auch wenn diplomatische, finanzielle und humanitäre Mittel zusammen mit Waffenlieferungen genannt werden. Treiber ist die Angst, dass wenn die Ukraine fällt, ein Angriff auf ein weiteres europäisches Land droht. Kann man für diese Befürchtung weiter Tod und Zerstörung in der Ukraine in Kauf nehmen? Maßstab für Friedensbemühungen darf nicht länger die postulierte Unverletzlichkeit von Grenzen und ein vollkommen gerechter Frieden sein, sondern das Leben der betroffenen Menschen zu schonen. Stärke zeigt Europa nicht mit immer weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine, sondern indem es ihr zur Seite steht, um mit Russland ein Ende des Krieges auszuhandeln – in dem Vertrauen, dass Gott den Demütigen beisteht und Europa vor weiteren Angriffen des Bösen schützt.

Als christliche Partei sehen wir Deutschland schließlich in der besonderen Verantwortung, zu Israel zu stehen. Wir sind dankbar für die klare Positionierung und konkret geplante Maßnahmen der CDU gegen Antisemitismus und für ihr Bekenntnis zur Freundschaft mit Israel und zu seiner Sicherheit als Staatsräson. Ein nachhaltiger Frieden im Nahen Osten wird jedoch nicht mit einer Zwei-Staaten-Lösung zustande kommen, die seit 30 Jahren gescheitert ist. Hier muss die CDU einen alten Zopf abschneiden und auf die Akteure vor Ort hören, damit Deutschland seiner Verantwortung für die Existenz des jüdischen Staates in seiner zunehmenden Bedrohung gerecht wird.

Ein Politikwechsel braucht Grundsatzentscheidungen

CDU/CSU kündigen in ihrem Wahlprogramm einen Politikwechsel für Deutschland an. Gemessen an drei Jahren Ampelregierung unter neomarxistischen Vorzeichen sollte dieser Wechsel augenfällig sein. Das ist er bei den Sofortmaßnahmen, die Gesetze der Vorgängerregierung zurücknehmen oder abgelehnte Projekte der Opposition durchsetzen wollen. Viele Fehlentwicklungen, die die Ampelregierung zu Ende gebracht hat, wurden jedoch von der CDU unter Angela Merkel begonnen. Im Blick darauf ist ein Umsteuern in der Migrationspolitik erkennbar und ansatzweise in der Wirtschaftspolitik – den akuten Themen dieses Wahlkampfes und für Deutschland heute geschuldet.

Eine tiefgreifende Konsolidierung unseres Landes muss jedoch an Grundsatzentscheidungen vor allem zur Familien- und Sozialpolitik, zur Klimapolitik und zu den Ursachen für Migration ansetzen, die die Natur des Menschen und der Schöpfung und unser Zusammenleben in dieser Welt betreffen. Möge die CDU im Richtungskampf zwischen dem Merkel-Erbe und einer konservativen Rückbesinnung für die jetzigen Herausforderungen die christliche Wirtschafts- und Sozialethik erneut fruchtbar machen, die das Erfolgsprogramm der Christdemokratie begründet hat. Dazu braucht es Umkehr der CDU, wo sie diese christlichen Prinzipien verlassen und damit den Niedergang Deutschlands maßgeblich verursacht hat. Wo wir uns auf die biblischen Grundlagen einer lebensdienlichen Gesellschaftspolitik besinnen, wird der Segen Gottes auch auf den kommenden Koalitionsverhandlungen liegen. Die Erneuerung des geistlichen Fundaments unseres Landes wird auch einen Politikwechsel zur Genesung Deutschlands hervorbringen – in Verantwortung vor Gott und den Menschen.

Karin Heepen