Seit fünf Monaten führen die westlichen Industriestaaten als Reaktion auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Die eigene Wirtschaft leidet unter den Sanktionen, die Inflation erreicht bedrohliche Raten und die Energiekrise treibt Europa zurück in die Abhängigkeit von Putin, während der Krieg weitergeht. Wo ist der Ausweg aus einem Krieg, der militärisch begonnen wurde?

G7 und BRICS als globale Konkurrenten

Fast parallel zum G7-Gipfel vom 26. bis 28. Juni auf Schloss Elmau hielten am 24. Juni die Staats- und Regierungschefs von fünf Schwellenländern – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) – einen Online-Gipfel ab, der sich auf die Verbesserung der multilateralen Zusammenarbeit mit nicht-westlichen Stilen, Formen und Prinzipien“ konzentrierte. Die Gruppe trifft sich jährlich, um dringende globale Probleme anzugehen. Auf der Tagesordnung standen unter anderem wirtschaftlicher Aufschwung, Klimamaßnahmen und eine gemeinsame Reaktion auf die COVID-19-Pandemie. Es war das erste große multilaterale Gipfeltreffen des russischen Präsidenten Putin seit der Invasion der Ukraine im Februar. Der Ukraine-Konflikt wurde nur selten direkt angesprochen, keiner der Staats- und Regierungschefs verurteilte den Krieg. Der Gipfel gab eine Erklärung ab, in der sie den Dialog zwischen Russland und der Ukraine und die effiziente Bereitstellung humanitärer Hilfe unterstützen und gleichzeitig ihr Engagement für die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten betonen. China, der virtuelle Gastgeber des Gipfels, spielte auf die Möglichkeit an, weitere Länder zum Beitritt in den Block einzuladen, die sich bei den Vereinten Nationen entweder der Stimme enthalten oder für Russland gestimmt haben.

Zwei BRICS-Mitglieder, Indien und Südafrika, nahmen auch bei den G7 in Deutschland teil, zu denen ansonsten die sieben führenden Wirtschaftsmächte der Welt gehören: Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die USA. Die Europäische Union war als inoffizielles Mitglied dabei und einige weitere Nichtmitglieder mit Beobachterstatus. „Fortschritt für eine gerechte Welt“ – mit diesem Ziel hat Deutschland zu Jahresbeginn den Vorsitz der G7 übernommen. Auf der Tagesordnung ganz oben stand der Krieg gegen die Ukraine mit Milliarden-Budgets für militärischen Bedarf, humanitäre Hilfe und Wiederaufbau für das Land. Die anderen Themen der G7 waren fast identisch mit denen des BRICS-Gipfels: ein Klimaclub als globale Antwort auf die Klimakrise, ein globales Ernährungsbündnis und die globale Gesundheit stärken als Pandemievorsorge und -reaktion. Mit Indonesien, Indien, Senegal, Südafrika und Argentinien als Partnerländer wollen die G7 resiliente Demokratien fördern. 

Beide Blöcke agieren mit jeweils globalem Anspruch und versuchen, ihren Einflussbereich auszuweiten. Die G7 wollen über einen Zeitraum von fünf Jahren 600 Milliarden Dollar für die Entwicklung der Infrastruktur in Entwicklungsländern bereitstellen und ihnen damit Optionen bieten für Investitionen abseits von Chinas Neuer Seidenstraße – einem außenpolitischen Programm der chinesischen Regierung zum Auf- und Ausbau interkontinentaler Handels- und Infrastrukturnetze mit über 60 Ländern Afrikas, Asiens und Europas.

Auf weitere Sanktionen gegen Russland konnten sich die G7 nicht einigen. Der Schaden für die eigene Wirtschaft lässt die Einigkeit bröckeln. Anfang Juni hatte die EU ein Ölembargo beschlossen, das ab Ende des Jahres greifen soll. Die daraufhin weltweit gestiegenen Ölpreise bescheren Russland Rekordeinnahmen, während im Westen die Spritpreise explodieren. Nach China und Indien verkauft Russland so viel Öl wie noch nie und mit kräftigen Preisnachlässen. Saudi-Arabien hat seine Ölimporte aus Russland verdoppelt und verkauft das eigene Öl teuer an den Westen.

Wurde zu Beginn des Krieges in Europa immer wieder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland gefordert, greift nun die Angst um sich, dass Putin die Lieferungen abstellt vor dem kommenden Winter. Umso unverständlicher ist das Ende Juli beschlossene siebte Sanktionspaket der EU, woraufhin Russland die Gaslieferungen durch Nordstream 1 auf 20 % reduzierte. Die von Kommissionspräsidentin von der Leyen beschworene europäische Solidarität für einen Gasnotfallplan trifft auf Widerstand. Die Energieminister fordern, dass Deutschland zuerst seine Atomkraftwerke weiterlaufen lässt. Ein Versorgungskrieg wirft seine Schatten voraus.

Welche Lehren ziehen wir aus den Monaten des Krieges?

  • Mit einem Wirtschaftskrieg gewinnt man nicht gegen eine militärische Invasion. Die Zerstörungen, die Bomben und Raketen anrichten, sind ungleich verheerender als Gewinneinbußen oder einige Versorgungsengpässe.
  • Wirtschaftssanktionen haben kein Abschreckungspotenzial, Atomwaffen hingegen schon. Europa hat versäumt, militärische Verteidigungsfähigkeit und Wehrfähigkeit herzustellen, und steht dem Verteidigungswillen und Patriotismus der Ukraine mittellos gegenüber.
  • Der Westen hat die globalen Machtverhältnisse unterschätzt. Auf die G7 und die BRICS-Staaten entfallen jeweils etwas mehr als 30% des Umfangs der Weltwirtschaft. Sie müssen damit als ebenbürtig angesehen werden. Die BRICS-Staaten vereinen mit 3 Mrd. Menschen 40% der Weltbevölkerung auf sich. Als Schwellenländer befinden sie sich auf Wachstumskurs, während der Westen versäumt hat, seine Wirtschaftskraft zu erneuern mit Nachwuchs, Bildung und Innovation.
  • Die Mehrzahl der Länder der Welt folgen nicht den Sanktionen und Exportbeschränkungen des Westens. Insbesondere China hat eine „Partnerschaft ohne Grenzen“ mit Russland erklärt und versucht gleichzeitig, sich als neutrale Partei zu positionieren. Multinationale chinesische Unternehmen folgen eher deren Muttergesellschaften.
  • In einer vernetzten Welt sind Sanktionen nicht schadlos für die eigene Wirtschaft. Je mehr die Folgen den Wohlstand und die Versorgungssicherheit gefährden, desto mehr wird die Unterstützung für die Ukraine nachlassen.
  • Demokratie schlägt nicht zwangsläufig Autokratie. Im Gegenteil befeuert die Überzeugung westlicher Überlegenheit die Kränkung eines Autokraten wie Putin und seine Aggression. Je mehr er als Kriegsverbrecher verteufelt wird, desto mehr wird er zum Teufel. So klar der russische Angriffskrieg zu verurteilen ist, hilft der Westen der Ukraine damit bestenfalls moralisch. 

Können wir den Krieg beenden?

Inflation und Energiekrise werden von Politik und Medien als Kriegsfolge dargestellt und seien als solche hinzunehmen. Sie sind jedoch kein unvermeidbares Schicksal oder maßgeblich von Russland verursacht, sondern die Folgen eigener finanz- und energiepolitischer Fehlentscheidungen, die lange vor dem Krieg begannen und korrigiert werden müssen. Die erste Verantwortung unserer Regierung ist nicht, andere zu bestrafen, sondern die Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherzustellen. Der Ukraine ist nicht geholfen, wenn die europäische Wirtschaft kollabiert.

Wenn der Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht mit Wirtschaftssanktionen zu stoppen ist, soll der Westen dann schwere Waffen liefern für einen militärischen Sieg der Ukraine? Die Frage wird praktisch beantwortet durch die begrenzt vorhandenen militärischen Mittel in Europa und die abnehmende Wirtschaftskraft. Deutschland ist militärisch von den USA abhängig, energiepolitisch von Russland und wirtschaftlich vor allem im IT-Bereich von China. Unterstützen kann der Westen die Ukraine politisch, wenn sie auf einen Frieden mit Russland hinarbeiten will.

Freie Bündniswahl ist kein Mittel zur Friedenssicherung, wie an der Vorgeschichte des Ukraine-Krieges und in der Herausbildung neuer Machtblöcke sichtbar wird. In einem beziehungsorientierten Denken wird die Souveränität von Staaten durch andere Interessen begrenzt. Die von Außenministerin Baerbock angestrebte wertebasierte Außenpolitik ist zum Ersten auf ihre Werte zu hinterfragen und kommt zweitens nicht umhin, wechselseitigen Interessenausgleich verhandeln. Eine Lösung für den Ukraine-Konflikt könnte ein Pufferstaat mit bewaffneter Neutralität sein. Im Blick auf einen EU-Beitritt der Ukraine stünde dieser Neutralität eine EU als Bundesstaat mit einer europäischen Armee entgegen. Wir plädieren für ein konföderales Europa, das flexible Optionen für die Besonderheiten der Mitgliedsstaaten ermöglicht.

Je länger der Krieg und Zerstörung dauern, desto mehr muss es um die Menschen gehen statt um Grenzen, Gebietsansprüche und Prinzipien. Während Russland weitere Teile der Ostukraine einnimmt, kündigt Präsident Selenskyj an, die Gebiete zurückerobern zu wollen. Das ist im Grundsatz zu unterstützen. Seit 2004 sind aus der Ostukraine aber bereits über 2 Millionen Menschen geflohen, Teile der russischen Bevölkerung haben auf Putin gewartet. Wem ist gedient, wenn der Donbass nur noch verbrannte Erde ist? Verhandlungen über Donezk und Luhansk kann nur die Ukraine anbieten. Ein EU-Beitritt ist jedoch nur ohne russisch besetzte Gebiete denkbar.

Der Glauben, dass Krieg nicht sein darf in Europa und man alles politisch lösen kann, ist gescheitert. Dennoch entsprang er der christlich motivierten europäischen Nachkriegsagenda und dem Willen, Krieg unmöglich zu machen. Dass die USA und NATO-Staaten seitdem weltweit Kriege geführt haben mit der Vorgabe der Sicherung von Menschenrechten, muss als Vorbote eines Krieges auch in Europa gesehen werden. Spätestens der überstürzte Abzug der NATO-Alliierten aus Afghanistan ein halbes Jahr zuvor und die Resultate des Einsatzes waren ein Warnsignal, dass der Westen international nicht mehr die Vorgaben macht zu Freiheit, Demokratie und Menschenrechten, auch nicht gegenüber Russland. Gegen einen westlich dominierten Multilateralismus bildet sich ein Gegenpol heraus mit autokratischer Politik und Prinzipien. Wo Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die Prinzipien einer sozialen Marktwirtschaft und die Achtung der Menschenwürde auch im Westen unter Beschuss sind, arbeiten wir an einer biblisch fundierten, beziehungsorientierten Neuordnung von Politik und Gesellschaft. 

Der wirtschaftliche Niedergang Deutschlands begann lange vor dem Krieg und braucht biblische begründete Antworten für die Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dazu gehört auch das Vertrauen, dass in dem heraufziehenden Versorgungskrieg ein Agieren nach göttlichen Maßstäben unser Land mit dem Nötigen versorgen wird. In der zunehmenden Polarisierung der Weltmächte brauchen wir zudem den Willen und die Fähigkeit, unser Land zu verteidigen. Dafür schlägt Bündnis C vor allem ein verpflichtendes Dienstjahr mit der Option des Dienstes in der Bundeswehr vor. 

Beim G7-Gipfel hat Bundeskanzler Scholz betont, dass es im Verhältnis zu Russland kein Zurück geben wird in die Zeit vor seinem Überfall auf die Ukraine. Wir plädieren dennoch dafür, die Beziehung zu Russland zu pflegen und weiter Brücken auf verschiedenen Ebenen der Zivilgesellschaft zu bauen. Russland bleibt europäischer Nachbar. Als Christen zementieren wir keine Feindschaft, sondern halten die Türen offen für einen Neuanfang. 

Ist es im globalen Maßstab egal, ob Hilfen für Entwicklungsländer aus China, Russland oder Europa kommen? China will mit der Neuen Seidenstraße bis 2049 politisch, wirtschaftlich und militärisch zur führenden Weltmacht wiederauferstehen. Wenn wir dagegen das christliche Menschenbild ernst nehmen, sind wir gefordert und in der Lage, ärmeren Ländern uneigennützig zu helfen und Partnerschaften auf Augenhöhe ohne Machtkalkül zu schaffen. Abseits der dominierenden Regierungspolitik hat China eine der am schnellsten wachsenden Kirchen. Wie wir in Europa nur mit einer beziehungsorientierten Außenpolitik im Rückgriff auf unsere christliche Prägung einen positiven globalen Einfluss ausüben können, so dürfen wir von China erwarten, dass Christen dessen Außenpolitik und Wirtschaftsbeziehungen mitgestalten und missionarisch nutzen werden. Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt, wird aber genau darin sichtbar werden in den Erschütterungen, durch die wir gehen. Darauf dürfen wir vertrauen und daran mitarbeiten.  

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Was kann Deutschland und Europa zum Frieden tun? Was für Lösungen haben wir für den Russland-Krieg gegen die Ukraine? Wie soll sich Bündnis C zu Waffenlieferungen, Wirtschaftssanktionen, Energieabhängigkeit positionieren?

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