Als Iraner, der die Wirkungsweisen autoritärer Systeme wie in Russland und ihre politischen Methoden aus unmittelbarer Nähe erlebt hat, betrachte ich die aktuelle Friedensinitiative der USA mit vorsichtiger Aufmerksamkeit. Die Entwicklungen in der Ukraine zeigen Muster, die allzu bekannt sind: der Versuch, durch Druck, territoriale Forderungen und politische Einflussnahme neue Fakten zu schaffen – Schritte, die nicht automatisch zu einem gerechten oder stabilen Frieden führen, sondern vielmehr das Risiko bergen, Machtverhältnisse dauerhaft zu verfestigen.
Aus dieser persönlichen und politischen Erfahrung heraus erscheint es mir notwendig, dass Deutschland und Europa eine deutlich aktivere und eigenständige Rolle einnehmen und nicht zulassen, dass über die Zukunft unseres Kontinents in Washington oder Moskau entschieden wird. Sicherheit und Frieden in Europa können nicht das Ergebnis externer Machtspiele sein, sondern nur aus einer verantwortungsvollen europäischen Haltung entstehen.
Europa darf nicht Zuschauer sein
Der 28-Punkte-Plan der USA ist zwar ein politisches Signal, doch er stellt keinen ausgewogenen Friedensvorschlag dar. Dass ein derart weitreichendes Dokument ohne umfassende Beteiligung europäischer Partner und vor allem ohne die Stimme der Ukraine ausgearbeitet wurde, ist zutiefst problematisch.
Frieden in Europa kann nicht hinter verschlossenen Türen und nicht allein zwischen Großmächten verhandelt werden. Es ist Europa, und nicht die USA, das die unmittelbaren sicherheitspolitischen Konsequenzen trägt. Deshalb ist eine europäische Eigenständigkeit notwendig: Berlin, Paris und Brüssel müssen klare Linien formulieren und ihre Verantwortung als tragende Säulen der europäischen Sicherheit wahrnehmen.
Frieden ohne Gerechtigkeit bleibt instabil
Die Forderung, dass die Ukraine Teile von Donezk und Luhansk abtritt, ihre Streitkräfte drastisch reduziert und auf den NATO-Beitritt verzichtet, während Russland kaum substanzielle Zugeständnisse macht, schafft kein tragfähiges Gleichgewicht. Aus meiner persönlichen Erfahrung mit autoritären Systemen weiß ich, dass jedes Signal der Schwäche als Einladung zu neuen Forderungen, neuen Angriffen und neuen Grenzverschiebungen gedeutet wird.
Ein Frieden, der auf einseitigem Nachgeben basiert, verhindert keinen nächsten Konflikt – er verschiebt ihn lediglich. Und jeder Aufschub macht die nächste Erschütterung gefährlicher.
Wenn die Ukraine im Rahmen künftiger Verhandlungen Zugeständnisse machen soll, dann braucht sie dafür echte, belastbare und langfristige Sicherheitsgarantien. Europa darf nicht zulassen, dass der Ausgang dieses Krieges ein Präzedenzfall wird, der anderen autoritären Regimen zeigt, dass Gewalt sich am Ende auszahlt.
Deutschlands besondere Verantwortung
Deutschland ist für viele Menschen – so wie auch für mich – ein Ort der Freiheit und des Schutzes. Gerade deshalb sollte unser Land:
- eine verantwortungsvolle, werteorientierte Außenpolitik vertreten
- sich gegen Modelle stellen, die den Schwächeren strukturell benachteiligen
- und gemeinsam mit seinen europäischen Partnern an einer gerechten, stabilen und zukunftsfähigen Friedensordnung arbeiten.
Werte wie Gerechtigkeit, Menschenwürde und Wahrhaftigkeit müssen auch in der Außenpolitik Maßstab bleiben – ohne Kompromisse.
Fazit
Ich habe gelernt, dass autoritäre Mächte Regeln nur dann respektieren, wenn ihnen klare und konsequente Grenzen gesetzt werden.
Ein gerechter Frieden entsteht nicht durch Druck auf die Opfer, sondern auf diejenigen, die Gewalt anwenden.
Europa braucht Mut und moralische Klarheit, um ein Friedensmodell zu unterstützen, das die Ukraine schützt und stärkt – und nicht ein Modell, das Russland indirekt belohnt.
Nur mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine kann Europa auf eine sichere Zukunft hoffen. Andernfalls bleibt der Kontinent in einem Zustand permanenter Bedrohung – und der Preis dieses Krieges wäre ohne langfristigen Wert.
Mohsen Kornelsen
Beisitzer Bundesvorstand
Pastor einer deutsch-persischen Gemeinde
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- ukraine flagge: Pixabay