Am Aschermittwoch hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig ist. Bündnis C mahnt, dass die Gleichsetzung des Rechts auf Leben und des Rechts auf Tod der organisierten Sterbehilfe die Tore öffnet.

Nach Artikel 2 des Grundgesetzes hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.

Diese Freiheit der Person reklamiert das BVG in seinem Urteil vom 26.02.2020 auch für ein selbstbestimmtes Sterben. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verletzt demnach das allgemeine Persönlichkeitsrecht, seinem Leben selbstbestimmt ein Ende zu setzen.  Denn der Staat muss auch dafür sorgen, dass für die Selbsttötung „… hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.“ Ärzte zeigen bislang wenig Bereitschaft, Suizidhilfe zu leisten, und können dazu auch nicht verpflichtet werden.

Die selbstbestimmte Verfügung über das eigene Leben bezeichnet das BVG als unmittelbaren Ausdruck der der Menschenwürde innewohnenden Idee autonomer Persönlichkeitsentfaltung. Diese Definition der Menschenwürde lehnen wir ab, da der Mensch sich weder selbst das Leben, noch seine Würde geben kann. Im Gegenteil nimmt er sich mit der Selbsttötung das Leben und seine Würde und gibt sie damit auf.

Deshalb verpflichten Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Staat nicht, die Autonomie des Einzelnen bei der Entscheidung über die Beendigung seines Lebens zu schützen. Und schon gar nicht wird, wie im Urteil des BVG behauptet, dadurch das Leben als solches geschützt, sondern verwirkt.

Wie in der Urteilsbegründung zutreffend festgestellt wird, ist in Ländern mit liberalen Regelungen zur Suizid- und Sterbehilfe ein stetiger Anstieg assistierter Selbsttötungen und von Tötungen auf Verlangen zu verzeichnen. Dieser Anstieg geht mit dem vom BVG statuierten Irrglauben einher, dass „der eigene Tod nicht mehr als unbeeinflussbares Schicksal hingenommen werden muss.“

Wo sich der Mensch zum Herrn über Leben und Tod aufschwingt, ist niemand mehr seines Lebens sicher – weder ungeborene Kinder, noch alte, kranke oder behinderte Menschen, noch Gegner dieser Kultur des Todes.

Der Staat darf nach dem Grundgesetz zurecht nicht die Freiheit und Selbstbestimmung der Bürger einschränken, aber er muss den gesetzlichen Rahmen schaffen, dass die Bürger diese Freiheit in Verantwortung füreinander wahrnehmen, und nicht in radikaler Selbstbezogenheit. Selbstbestimmte Autonomie als höchstes Dogma gerät zwangsläufig mit der Verantwortung z. B. von Angehörigen in Konflikt, die ihr selbstbestimmtes Leben einschränken zugunsten der Pflege eines alten Menschen. Diese Opferbereitschaft und bestmögliche Behandlung Schwerkranker zu stärken muss das Anliegen einer humanen Gesellschaft sein, und nicht die Giftspritze zu reichen. Ethik hat entweder Sozialcharakter oder sie wird zur tödlichen Selbstbezogenheit pervertiert.

Am Aschermittwoch wurde vom Bundesverfassungsgericht die Entscheidung über Leben und Tod in das Ermessen des Individuums gestellt und der gesellschaftliche Schutz des Lebensendes eingeäschert. Die autonome Entscheidung des Einzelnen ist jedoch kein zuverlässiger Kompass für den Schutz des Lebens, die gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid hingegen eine Tür, die zuverlässig in den Tod führt. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Gesetz so neu zu formulieren, dass es nicht der Hilfe zum Sterben, sondern der Hilfe zum Leben unanfechtbar Geltung verschafft.