Ortwin Schweitzer ist Mit-Gründer des Wächterruf Gebetsnetzes für Deutschland, der European Union of Prayer und weiterer christlicher Werke in Deutschland. Er steht mit seiner ganzen Person für das politische Gebet und hat in vielen Ländern Europas persönliche Kontakte und Beziehungen. Er hat in der Vergangenheit in Europa zur Versöhnung mit Deutschland beigetragen.

In unsere erweiterte Vorstandssitzung am 27.06.202 brachte er seine aktuelle Perspektive für Deutschland und für Bündnis C ein. Hier sind die Kerngedanken zusammengefasst:

Deutschland – die Lichtseiten

„Ich liebe Deutschland!“ Es erfüllt mich mit tiefer Freude, dass ich diesen Satz nach Jahrzehnten der Scham frei und offen aussprechen kann, dank des ehrlichen Zuspruchs aus vielen Nationen. Heute ist mein Land ein zuverlässiger Partner der Völker der Welt geworden und eine Stütze der Einheit Europas.

Ich liebe dieses Landum seiner landschaftlichen Schönheit willen und bin dankbar für seine Geschichte, für seine Söhne und Töchter, die Impulse aller Art in die ganze Welt gesandt haben: Martin Luther, Johannes Gutenberg, Graf Zinzendorf, Immanuel Kant, Goethe und Schiller, Bismarck, Bach und Beethoven und all die tapferen Frauen an der Seite dieser Männer. Ich empfinde dankbar die Charakteristika dieses Volkes auch in mir: die Freude etwas ordentlich zu machen, eher zu sparen als zu verschleudern, und der Regierung eher zu vertrauen als zu misstrauen. Das hängt zusammen mit der Qualität unserer Politiker seit Jahrzehnten. Weiter nehme ich wahr, dass wir mit 82 Millionen die bevölkerungsreichste Nation in Europa sind und durch den Fleiß und die gute Ausbildung Waren produzieren, die in der ganzen Welt begehrt sind („Exportweltmeister“). Ich spüre die Verantwortung, die aus diesen Superlativen folgt – für Europa und die sogenannte „3. Welt“. So erwarte ich von der deutschen Ratspräsidentschaft nachhaltige Aufbauhilfe für die Nach-Corona-Zeit.

Im geistlichen Bereich ist in Deutschland eindeutig ein Zusammenrücken der Glieder des Leibes Christi festzustellen, an der Basis wie bei den Bischöfen. Dazuhin entstehen überall neue „Gebetshäuser“ und viele geisterfüllte Lobpreisversammlungen mit vielen auch genuin deutschen Liedern finden überall im Land statt.

Ich klage über Deutschland

Wir sind immer noch auf vielen Ebenen ein geteiltes Land zwischen Ost und West. Es ist eine Schande für so ein reiches Land, wie Fremdarbeiter z.B. in der Landwirtschaft oder in der Fleischindustrie ausgebeutet werden. Aber noch weit schlimmer sind die Menschenhändler, die Frauen aus Osteuropa als Sexsklavinnen gefangen halten. Wegen seiner laxen Gesetzgebung ist Deutschland zum Bordell für Europa geworden. Eine weitere Klage ist: Unser guter Ruf: „Made in Germany“ ist durch den Dieselskandal der Autobranche, durch die Krise der Deutschen Bank und durch den Zusammenbruch gerade jetzt von Wirecard erkennbar beschädigt. Was uns aber besonders tief trifft, ist das Erstarken der rechtsradikalen Szene und die Rückkehr eines allgemeinen Antisemitismus in der Bevölkerung.

Politische Perspektive für Deutschland

  1. 2021 geht die Ära Merkel zu Ende. Angela Merkel war als Person Ersatz für ein Programm. Sie setzte auf Mehrheiten statt auf Themen und CDU-Grundsätze. Damit verlor die CDU ihren Markenkern an eine immer mehr nach links angepasste Politik.
    Die CDU mit Angela Merkel hat momentan Aufwind im Corona-Krisenmanagement, verlor aber in den letzten Jahren an Zustimmung, genauso wie SPD und FDP. Relativ stabil als Partei sind momentan die Grünen. Ohne Merkel wird die Bundestagswahl 2021 im wörtlichen Sinn zu einer Weichenstellung, d.h. zu einer Schicksalswahl für die neue Ära werden zwischen entweder einer echten Linkskoalition aus Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Grün. Eine entscheidende Rolle wird dabei die Person des Kanzlerkandidaten spielen. Der parteiintern sich zuspitzende Konflikt in der CDU wird darin bestehen, dass keiner der angetretenen 3 Kandidaten für den Parteivorsitz auf eine gleichzeitige Kanzlerkandidatur verzichten kann. Denn wer von den 3 möchte CDU-Parteivorsitzender werden unter einem Kanzler der CSU? Der bisher populärste Kandidat für dieses Amt aber steht ja außerhalb der CDU und damit außerhalb des Kreises der Bewerber für den Vorsitz.
  2. Die Demokratie wird zusehends durch die Existenz der AfD als Protestpartei ausgehöhlt. Mit den restlichen Prozenten lässt sich nur mühsam noch eine Regierungsmehrheit bilden. Durch die Koalitionen aus immer mehr Parteien werden jedoch immer mehr Wähler zu Protestwählern aus Unzufriedenheit über die notwendigen Kompromisse ihrer Parteien.
    In der Weimarer Republik führte der Druck brauner Horden zur Machtübernahme der Nationalsozialisten, gipfelnd in der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Die Demokratie wurde durch Einschüchterungen und den Druck der Straße zerstört. Dasselbe beginnt heute mit anderen Mitteln: im Internet mittels Radikalisierung und anonymen Mord-Drohungen. Es gilt, die Meinungsfreiheit zu verteidigen – nach rechts und nach links.
  3. Es braucht Wirtschaftsreformen unter Einbeziehung des Klima- und Umweltschutzes, der Digitalisierung und familienverträglicher Arbeitsbedingungen.
  4. Die Unruhen und Angriffe auf die Polizei würden das Ende des Gewaltmonopols des Staates und der Demokratie sein und in Anarchie münden, wenn sie nicht gestoppt werden.

Verändert euer Denken

Wir wollen als Christen in der Regel das „christliche Abendland“ und „unsere Werte“ konservativ bewahren, die alle anderen aber progressiv verändern wollen und uns deshalb als reaktionär brandmarken. Diese Bewertung entspringt dem gegenwärtigen politischen Raster und Denken. Christen haben aber durch ihren Glauben eine grundsätzlich veränderte Ansicht der Welt. Das Raster unter dem sie die Welt betrachten und deuten heißt: Reich Gottes: Die Welt als Regierungsort Gottes. Die Frage heißt darum nicht „Bewahrung des Bisherigen“, sondern „Durchsetzung des Willens Gottes zum Besten der Welt“. Das ist immer aktuell, das ist Erneuerung, ist progressiv und innovativ und getragen von einer andauernden inneren Dynamik (Heiliger Geist). Diese setzt sich um auf allen, allen, allen Lebensgebieten!

Christen verstehen sich tatsächlich selber oft als Bewahrer und als konservativ, weil sie sich dem „Schema dieser Welt“ (Römer 12,1-2) unterwerfen. Wie in der Mathematik verändert sich aber die Definition eines Punktes grundlegend, wenn sich das darüberliegende Koordinatensystem plötzlich verändert. So auch hier. Ich wünschte, dass alle Christen, vor allem die öffentlich in Politik und Gesellschaft tätigen, diesen Paradigmenwechsel für sich vollziehen könnten mit allen Konsequenzen, die sich sofort daraus ergeben: Wir brauchen christlich-innovative Antworten, die das Licht des Evangeliums ganz neu auf alte und neue Fragestellungen fallen lassen und das politische Denken und Handeln durch diesen Paradigmenwechsel erneuern.

Vision für Bündnis C

  • Die Partei muss von einer Vision getragen sein. Diese muss mit Ausstrahlung kommuniziert werden, um andere mitzunehmen, die sich dann investieren mit Zeit und Geld, wenn sie entzündet sind.
  • Zum richtigen Zeitpunkt („Kairos“) müssen alle Kräfte mobilisiert werden, um die Vision in Existenz zu bringen. Erneuerung ist nie willkommen. Immer wird das Bestehende sich wehren und Widerstand leiten. „Er-Neuerung“ braucht einen langen Atem unter viel Beten und Arbeiten gegen alle Widerstände. Beim „langen Marsch durch die Instanzen“ geht es strategisch um die Besetzung der Schlüsselpositionen.
  • Wer ist am ehesten als Zielgruppe und Mitstreiter für Bündnis C zu gewinnen? Antwort: die Christen in der AfD. Sie wollen eine christliche Politik, aber am falschen Ort.
  • Wer sind politische Partner, mit denen Bündnis C Schnittmengen verbinden?
  • Ideenorientierte, nicht gewinnfixierte Groß-Sponsoren werden durch Visionen gewonnen, die machbar erscheinen!
  • Ohne Gebet gibt es keinen Durchbruch. Eine feste Gruppe in der Partei muss alle Aktivitäten und Beschlüsse im Gebet vorbereiten und begleiten und das als ihre Hauptaufgabe ansehen.

Ortwin Schweitzer